Die Welt nimmt in Louisville Abschied von Muhammad Ali
Louisville (dpa) - Vereint habe er sie alle. Muslime und Christen, Arme und Reiche, Schwarze und Weiße. Immer wieder hört man Fans in Louisville erzählen, was den legendären Box-Champion Muhammad Ali auch jenseits des Rings zu wahrer Größe brachte: Seine Fähigkeit, die Menschen zusammenzubringen.
„Er hat die ganze Welt vereint“, sagt James Clarkson, der mit Freund Kenny Price zu Alis Haus aus Kindheitstagen gekommen ist. Glühwürmchen schwirren durch die Abendluft, Nachbarn grüßen sich, Besucher machen Fotos zwischen Blumen auf der Veranda.
Es sind Tage der Trauer, aber auch guter Erinnerungen an den Mann, der mit einer Gedenkfeier und Beerdigung am Freitag seinen Abschied gefeiert hat - Abschied aus einem Leben, indem der dreifache Weltmeister im Schwergewicht jahrelang unbezwingbar schien, seine Prominenz aber auch geschickt für politische Absichten einsetzte. Etwa, in dem er den Militärdienst verweigerte und den Vietnamkrieg offen kritisierte. Lee Marshall, der zum Trauerzug in Louisville aus Atlanta (Georgia) angereist ist, um dem Jahrhundert-Sportler mit Tausenden die letzte Ehre zu erweisen, halfen diese Worte Alis durch seine harte Zeit beim Militärdienst in Illinois.
„Er hat mich inspiriert, derjenige zu sein, der ich bin“, sagt der 66-Jährige. Im Feldlager sei er der einzige Afroamerikaner gewesen - „und ich wurde gebeten, zur Seite zu gehen, wenn sie ein Foto machten“. Ali habe stets an seinen Prinzipien festgehalten, sagt Marshall. „Er hat nicht nur den Kampf im Ring gewonnen. Er hat den Kampf in der öffentlichen Meinung gewonnen.“
Ein Hubschrauber kreist über dem Muhammad Ali Boulevard, als die Fahrzeugkolonne aus rund 35 Autos mit zwei Stunden Verspätung die Innenstadt erreicht. Schauspieler Will Smith, die Box-Größen Lennox Lewis und Mike Tyson sowie Alis langjähriger Freund John Ramsey haben geholfen, den Sarg in die dunkle Limousine zu heben. Als die Kolonne nach einer Fahrt durch Alis frühere Nachbarschaft zurück in Richtung Friedhof rollt, ist der Wagen längst bedeckt mit bunten Blumen. Immer wieder Rufe vom Straßenrand: „Ah-li! Ah-li! Ah-li!“
Es ist ein komplett durchorganisiertes Spektakel, eine der größten Beerdigungen, die die USA wohl je erlebt haben. Schon vor vielen Jahren sprach Ali selbst über diesen Tag. Gewünscht habe sich der 1964 zum Islam Konvertierte sowohl den muslimischen Gottesdienst als auch einen Abschied „für alle“. Die 15 000 Freikarten zur Gedenkfeier sind im Nu vergriffen. Auf dem historischen Friedhof östlich der Stadt findet Ali im privaten Kreise schließlich seine letzte Ruhe.
Die voll besetzte Sportarena liegt abgedunkelt, über der Bühne mit Blumengestecken die Olympische und die US-Flagge. „Muhammad verliebte sich in die Massen und die Massen verliebten sich in ihn“, sagt Witwe Lonnie in ihrer Trauerrede. Die weite Krempe ihres schwarzen Huts verdunkelt ihre Augen. Komiker Billy Crystal bringt das Gefühl auf den Punkt, das Menschen weltweit beim Tod Alis erfasste: „Die Zeit hielt an, die Welt holte tief Luft und seufzte.“ Ex-Präsident Bill Clinton erinnert daran, dass in jedem Menschen ein Ali stecke. Es ist ein würdiger Abschied für einen der größten Sportler überhaupt.
Der Medienrummel mache die Stadt mit 615 000 Einwohnern sicher auch größer als sie ist, meint James Clarkson. Doch dick aufgetragen habe der Sportler bei seinen Besuchen in der Heimat nie, sagt eine Frau an Alis Elternhaus auf der Grand Avenue. „Er hätte irgendeinen Ort in den 50 Bundesstaaten wählen können, aber er entschied sich, zurück nach Hause zu kommen“, sagt Kennette Middlebrooks, die seit zehn Jahren in Louisville lebt, zur Beerdigung. „Ist jemand gestorben?“, fragt ihre Tochter Tamia. Bald werde die Sechsjährige in ihren Geschichtsbüchern von dem berühmten Sohn der Stadt lesen, sagt Middlebrooks. Rote Boxhandschuhe hängen neben ihr an der Gedenktafel.
Spricht man mit Ibrahim Khan, will man hoffen, dass das Vermächtnis des Boxers lange nachwirkt - auch angesichts der derzeitigen Hetze von Präsidentschaftsbewerber Donald Trump gegen Muslime. Ali sei ein Pionier für amerikanische Muslime gewesen, sagt der 23 Jahre alte Muslim, der mit seiner Familie aus Houston in Texas angereist ist. Was selbstverständlich klingen mag, habe Ali vielen Menschen erst beigebracht: „Amerikaner und Muslim ist kein Widerspruch.“
Und auch bei der Trauerfeier führt Ali wieder alle Stränge, alle Religionen, zusammen. Rabbi Michael Lerner betet, Imam Zaid Shakir singt, Pfarrer Kevin Cosby predigt. Zwei buddhistische Mönche singen, Oren Lyons vom Stamm der Seneca und Irokesen vertritt die Indigenen. Die Dienste Alis an diese Glaubensgemeinschaften lassen sich kaum bemessen. Auf der Einladung zur Trauerfeier steht ein Zitat von ihm: „Der Dienst für andere ist die Miete, die Du für Deinen Platz hier auf der Erde zahlst.“
Alis langjähriger Freund John Ramsey liest diesen Satz noch einmal vor und sagt dann: „Champ, Du hast Deine Miete voll abbezahlt.“