Box-Star wird 50 Michalczewski nullt: Wenn der „Tiger“ zum Löwen wird

Hamburg (dpa) - Es gab Zeiten, da konnten sie sich nicht ausstehen. Heute hat Dariusz Michalczewski seinem einstigen Widersacher Graciano Rocchigiani längst verziehen.

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„Das war doch alles Ballyhoo. Wir verstehen uns“, sagt der einstige Boxweltmeister Michalczewski, der am 5. Mai seinen 50. Geburtstag feiert. Vor dem Rückkampf gegen „Rocky“ im April 2000 war die Situation jedoch explosiv. „Es gibt schlaue Polen und dumme Polen. Und du bist ein dummer Pole“, hatte Rocchigiani seinen eingebürgerten Rivalen vor laufender TV-Kamera angegiftet. Der konterte: „Wenn du nicht gegen mich boxen dürftest, müsstest du doch aufs Arbeitsamt gehen.“

Gut 18 Jahre später feiert der „Tiger“, wie Michalczewski mit Kampfnamen heißt, seinen Geburtstag in seiner Heimatstadt Danzig, später auch in Hamburg, wie er der „Welt“ verriet. „Ich fühle mich in Hamburg nach wie vor zu Hause“, sagt der ehemalige Halbschwergewichts-Champion der WBO. Heute ist er ein erfolgreicher Geschäftsmann in Polen, handelt mit Immobilien und seinem Energy-Drink „Tiger“, hat vier Kinder.

Die Geburtstagspartys werden vermutlich so intensiv wie seine früheren Siegesfeiern. Denn der „Tiger“ ist ein Party-Löwe par excellence. „Da bleibt kein Auge trocken. Dariusz ist ein Extremmensch. Er hat extrem geboxt, er hat extrem gefeiert. Mittelmaß gab es nicht“, sagt Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer. Einen Teil der 30 Millionen Euro, die er im Ring verdient habe, bekennt der „Tiger“, habe er „verhurt und versoffen“.

Michalczewski war ein Edelstein des deutschen Berufsboxens. Neun Jahre und 38 Tage Weltmeister in seinem Limit - Weltrekord! 23 Titelverteidigungen, drei WM-Titel zeitgleich, 50 Kämpfe, 48 Siege - davon kann die heutige Ringgeneration nur träumen. Sein Biograf Wolfgang Weggen erklärt die Magnetwirkung des Danzigers: „Die Leute wussten: Wenn der Kampf losgeht, knallt's. Er marschiert pausenlos nach vorn, bis der Gegner umfällt.“

Ringgefährten applaudieren. „Dariusz hat das deutsche Boxen in den 90er-Jahren geprägt“, sagt Ex-Schwergewichtler Axel Schulz. „Er hat eine Bilderbuch-Karriere hingelegt“, meint Ex-Champion Sven Ottke. Michalczewski lieferte Spektakel nonstop, aber es mangelte an Anerkennung. Folglich wollte er die größte Zugnummer der 90er-Jahre, IBF-Champion Henry Maske, vom Thron stoßen. Der technisch versierte Sicherheitsboxer Maske war von RTL zum Quotenkönig aufgebaut worden, Kampfmaschine Michalczewski lief dagegen versteckt im Pay-TV von Premiere. Doch der Sauerland-Stall lehnte das Duell ab.

Ersatz waren die „Rocky“-Kämpfe. Der erste im August 1996 ging als Skandalkampf in die Annalen ein. Der „Tiger“ hatte umstritten durch Disqualifikation seines Gegners gewonnen. Nach dem Trennkommando des Ringrichters hatte Rocchigiani den „Tiger“ getroffen. Michalczewski hangelte sich eine Weile an den Seilen entlang, bis er sich fallen ließ. Im zweiten Duell im April 2000 dominierte der „Tiger“. „Rocky“ gab nach der neunten Runde entnervt auf.

Weil es kein Duell mit Maske gab, musste ein Überkreuzvergleich die Fronten klären. Der Amerikaner Virgil Hill, der Maske in dessen letztem Kampf besiegte, wurde sieben Monate später von Michalczewski demontiert. Der „Tiger“ war am Ziel. Heute sagt der Mann, der mit zwei Frauen dreimal verheiratet war und mit der vierten immer noch ist: „Ich war nicht so schlecht, habe einiges erreicht. Ich würde alles noch mal so machen.“