Olympia? Nein, danke! - Profiboxer zeigen Rio die kalte Schulter
Hamburg (dpa) - Die deutschen Profiboxer pfeifen auf Olympia. An der Einladung des olympischen Weltverbandes AIBA für Rio haben die Berufsfaustkämpfer hierzulande kein Interesse.
„Ich bin sehr enttäuscht, wie wenig Resonanz es von den etablierten deutschen Profis gibt“, klagt Jügen Kyas, Präsident des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV). „Jahrelang haben sie gemeckert, sie würden keine Olympia-Chance kriegen. Und jetzt wollen sie nicht.“
Jürgen Brähmer hat abgelehnt, Arthur Abraham muss zunächst seinen Titel in den USA verteidigen, Felix Sturm ist nicht interessiert, und Marco Huck verfolgt andere Pläne, außerdem ist seine Gewichtsklasse in Rio schon besetzt.
Profis dürfen nicht einfach durch Fingerheben nach Rio. Sie müssen mindestens Achter in der Weltrangliste sein und sich sowohl national als auch international qualifizieren. Ende Juni/Anfang Juli soll die internationale Qualifikation stattfinden.
„Zugegeben, die Zeit dafür ist knapp“, sagt DBV-Sportdirektor Michael Müller. Ein Profi will Geld verdienen. Bei Olympia kann er nur seinen Marktwert steigern. Oder aber verlieren: Denn längst ist nicht sicher, ob sich die etablierten Profis gegen Olympia-Boxer überhaupt durchsetzen würden.
Knackpunkt: Olympisch werden drei Runden geboxt. Die Profis sind zwölf Runden gewohnt. Zwar müssten sie die größere Kondition besitzen, wohl aber haben sie nicht das Tempo der Kurzrunden-Boxer. „Bei uns gibt es kein Abtasten. Das wird von der ersten Sekunde an gefeuert“, betont Kyas. Man stelle sich Spätstarter Abraham vor. Bevor der abwartende Supermittelgewichtler seinen gefürchteten „Abrahammer“ auspackt, ist der Drei-Runden-Kampf vorbei.
Brähmer indes würde man die Umstellung auf drei Runden zutrauen. Aber er will nicht. „Ich finde es unfair den Amateuren gegenüber, die sich jahrelang auf die Spiele vorbereiten und dann Profis vor die Nase gesetzt bekommen“, begründet der Schweriner seine Ablehnung. Sein Trainer Karsten Röwer räumt erstaunlich ehrlich ein: „Bei der kurzen Zeit wären die Profis chancenlos.“
Dass die Alt-Profis von WBA, IBF, WBO und WBC an TV-Verträge gebunden sind, aus denen sie kein Sender für mehrere Monate entlassen will, leuchtet ein. „Der Kommerz darf nicht den olympischen Gedanken kaputt machen“, entgegnet DBV-Chef Kyas. „Die TV-Sender können doch die Qualifikationskämpfe ihrer Boxer übertragen. Die Einschaltquoten wären bei einer solchen Konstellation hoch. Wir als DBV wollen nur 20 Prozent der Einnahmen. Das ist doch eine Win-win-Situation.“
Profis und olympische Boxer sind wie Feuer und Wasser. Erst recht, seit der einstige Amateurverband eigene Profis (APB) unterhält und den Alt-Profis immer häufiger die Talente vorenthält. Beide Lager haben andere Wertesyteme. Für Promoter Kalle Sauerland wäre eine Olympia-Teilnahme seiner Boxer „ein Rückschritt. Olympia ist ein Sprungbrett. Profiboxen ist ein Schritt nach oben.“
Das bringt den DBV in Rage. „Das ist unterirdisch“, grollt Müller. „Wie kann man glauben, einer der unzähligen WM-Titel bei den Profis ist mehr wert als ein Olympiasieg? Mehr als ein Olympiasieg geht nicht!“
Sauerland-Geschäftsführer Frederick Ness reibt Daumen und Zeigefinger aneinander. „Unser Weg ist wirtschaftlich lukrativer“, behauptet er. „Falsch“, kontert Kyas. „Ein APB-Boxer kann richtig gutes Geld verdienen.“ Es heißt, ein Neu-Profi aus der Sparte APB des olympischen Verbandes AIBA kann für drei bis vier Kämpfe im Jahr rund 100 000 Euro einnehmen, als Weltmeister deutlich mehr. Alt-Profis wie Wladimir Klitschko kassieren Millionen. Davon gibt es aber nur wenige.
„APB ist gescheitert“, meint Brähmer-Berater Peter Hanraths unbeirrt. Kyas stöhnt und zählt auf: „In der Vorsaison hatten wir 80 APB-Boxer, jetzt 135. In Asien rennt APB den etablierten Profiställen den Rang ab. Bei uns nutzen die Boxer Förderprogramme und Berufsausbildung. Herr Hanraths weiß nicht, wovon er spricht.“