DDR-Dopingopfer kritisieren Tatenlosigkeit
Berlin (dpa) - 25 Jahre ist der Fall der Berliner Mauer bald her, doch die Opfer des staatlichen Dopingsystems in der DDR sehen beim nahenden Jubiläum keinerlei Anlass zur Freude.
„In Hinblick auf die Geschädigten gibt es nichts zu feiern“, sagte Ines Geipel, die Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins (DOH), der Nachrichtenagentur dpa. „Die Todesliste ist mittlerweile lang, die Situation der Geschädigten wird permanent und drastisch schlechter“, erklärte Geipel.
Als Top-Sprinterin der DDR in den 80er Jahren war sie selbst zum Dopingopfer geworden. Am Rande der DOH-Mitgliederversammlung in Berlin forderte die heutige Schriftstellerin und Professorin: „Das Innenministerium, das Justizministerium und der organisierte Sport müssen endlich handeln.“
Die Problematik sei unverändert aktuell, sagte Geipel und verwies auf neu aufgetauchte Stasi-Unterlagen, nach denen der heutige thüringische Sportfunktionär Rolf Beilschmidt auch nach seiner aktiven Hochsprung-Karriere für die Staatssicherheit gearbeitet haben soll. Der DOH fordert Beilschmidts Rücktritt - bislang vergeblich. „Es gibt überhaupt kein Bewusstsein für diese Verantwortung im organisierten Sport“, beklagte Geipel: „Gerade in den neuen Ländern funktionieren die Täter-Organigramme teils noch bestens. Diese Leute haben sich dort wieder ihr Netz gebaut und sich gegenseitig Stellen organisiert.“
In die Kritik geriet bei der Veranstaltung am Samstag auch Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagenbehörde - und ein Jugendfreund Beilschmidts. Geipel und andere Betroffene forderten von Jahn mehrfach ein klareres Bekenntnis gegen Beilschmidt, der aktuell Hauptgeschäftsführer des Landessportbundes Thüringen ist. Jahn distanzierte sich zwar von Beilschmidts „Handlungen“, verwies jedoch auch auf seine eigene Position: „Wir brauchen Aufklärung und nicht Abrechnung. Ich stelle Akten zur Verfügung, die Entscheidungsträger in Thüringen müssen dann auf Basis der Fakten Farbe bekennen.“
Der frühere DDR-Bürgerrechtler, der die Unterlagen-Behörde seit Anfang 2011 leitet, schloss sich der Forderung nach aktivem Handeln an: „Der Staat muss den Menschen helfen, die unter dem Unrechtssystem gelitten haben. Keiner darf aus seiner Verantwortung entlassen werden“, sagte Jahn. Geipels Rücktrittsforderung in Richtung Beilschmidt wollte sich Jahn nicht explizit anschließen: „Ich kann nicht mein Amt missbrauchen und den Oberrichter spielen.“
Beilschmidt soll nach den in der vergangenen Woche bekanntgewordenen Akten auch während seiner Arbeit als Leiter des SC Motor Jena als Stasi-Mitarbeiter tätig gewesen sein. Die unabhängige Stasi-Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) hat angekündigt, die Angelegenheit bewerten zu wollen.
Die Opfer bemängeln, dass viele Täter auch 25 Jahre später noch in Amt und Würden seien. „Wie lange soll ich noch warten? Bis die Leute weggestorben sind?“, fragte Andreas Krieger. „Wir sagen, die Leute sind Täter, aber es passiert nichts. Und die Leute stehen da und feiern sich selbst.“ Krieger hatte als Kugelstoßerin Heidi Krieger für die DDR Erfolge gefeiert und sich nach der Wende einer Geschlechtsoperation unterzogen. Schon als Teenager waren ihm ohne sein Wissen Dopingmittel verabreicht worden.
Geipel verwies auf den kritischen Gesundheitszustand des früheren DDR-Gewichthebers Gerd Bonk. „Der Mehrfachtäter im Amt auf der einen, der Betroffene im Koma auf der anderen Seite - symbolisch sind die Dinge da klar“, sagte Geipel.