#bundesjugendspieleweg Demütigung Bundesjugendspiele?

Eine Mutter will den schulischen Sportwettkampf abgeschafft wissen. Viele folgen ihr.

Ist die für jeden Schüler und jede Schülerin verpflichtende Teilnahme an den Bundesjugendspielen noch haltbar?

Foto: Frank Rumpenhorst

Düsseldorf. Christiane Finke hat vor wenigen Tagen ihren weinenden Sohn in Empfang nehmen müssen. Bundesjugendspiele in der Schule, der Filius brachte eine Teilnehmer-Urkunde mit. Und hatte ziemlich schnell registriert: Im Feld von Ehren- und Siegerurkunden ist das Teilnehmer-Papier ein untrügliches Zeichen dafür, dass viele gleichaltrige Mitschüler und Freunde sehr viel sportlicher sind.

Zum Heulen ist das... Finke hat dieses Erlebnis offensichtlich nachhaltig beschäftigt. Die alleinerziehende Mutter und Stadträtin aus Konstanz erstellte auf der Internet-Plattform change.org eine Petition, in der Sie die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) direkt auffordert: „Bundesjugendspiele abschaffen!“

Einen Nerv scheint sie getroffen zu haben. Bis Donnerstagnachmittag folgten ihr mehr als 8000 Menschen — aus welchem Grund auch immer. Finke nennt Gründe für ihre Forderung, die seit gestern eine nationale Debatte auch bei „Twitter“ ausgelöst hat. Die Bundesjugendspiele seien nicht mehr zeitgemäß und gingen ursprünglich auf die Reichsjugendwettkämpfe zurück, heißt es da.

Und: „Der Zwang zur Teilnahme und der starke Wettkampfcharakter sorgen bei vielen Schülern für das Gefühl, vor der Peergroup gedemütigt zu werden.“ Sport solle für Selbstbewusstsein sorgen, die Bundesjugendspiele aber konterkarierten dieses Ziel. „Häufig werden die Ergebnisse der Wettkämpfe beim Austeilen der Urkunden sogar öffentlich im Unterricht verlesen.“

Nicht jeder kann diese Kritik nachvollziehen. Wolfgang Burscher etwa, Sportlehrer am St.Anna-Gymnasium in Wuppertal. „Es wird niemand vorgeführt“, sagt er zu dem verbindlich vorgeschriebenen Sportfest. So gebe es zahlreiche Möglichkeiten, Übungen mit anderen zu ersetzen, wenn es bei der ein oder anderen Herausforderung Probleme gebe. Und: „Schüler messen sich auch beim Lateintest oder ganz normalen Klassenarbeiten. Das ist absolut vergleichbar.“

Für seine ehemalige Wuppertaler Kollegin Ursula Demme ist es auch Sache der Schule und der Lehrer, den Wettkampf vorzubereiten. „Man muss es trainieren und in der Klasse darauf aufmerksam machen, dass der eine eben diese und der andere jene Begabung hat“, sagt Demme, die aber zugleich auch Verständnis hat, wenn jemand diesen Wettkampf „unter keinen Umständen mitmachen will“.

Burscher regt an, die Eltern könnten auch mit den Lehrern reden und dann stattdessen das Sportabzeichen anvisieren, wo die Palette der Ausweichmöglichkeiten noch größer sei. Finke dürften solche Argumente kaum überzeugen. Sie sagt: „Ein Wettkampf, bei dem Einzelne schon vorher wissen, dass sie chancenlos sind, ist sinnlos und unfair.“ Erfunden wurden die Bundesjugendspiele, die unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten stehen und Leistungen in Geräteturnen, Leichtathletik und Schwimmen abrufen, 1951. Seither hat es viele Geehrte, Sieger und Teilnehmer gegeben. Und eine Erkenntnis: Erinnern kann sich daran auch im hohen Alter jeder.