Bewegend: Enkel von Holocaust-Opfer im DEB-Team
Hannover (dpa) - Evan Kaufmann hat seinen Frieden mit Deutschland gemacht. Am Freitag will der Eishockey-Profi der Düsseldorfer EG erstmals für das Land spielen, das unter dem Nazi-Regime für die Ermordung vieler Mitglieder seiner jüdischen Familie verantwortlich war.
„Mein Großvater hat seine Eltern nie wieder gesehen und konnte auch etwa eine Handvoll seiner Cousins und Cousinen nicht mehr finden“, erzählt Kaufmann der Nachrichtenagentur dpa. Evan entschied sich trotzdem für das deutsche Nationalteam, mit dem er nun beim Vier-Nationen-Turnier Belarus-Cup an diesem Wochenende in Minsk antritt. „Ich musste nicht groß darüber nachdenken. Das ist eine große Ehre.“
Diesen Satz sagen Sportler oft, wenn sie das erste Mal ins Nationalteam berufen werden. In Kaufmanns Fall ist er keine Phrase. Ungewöhnlich ist sein Debüt nicht nur, weil Kaufmann 1984 in den USA in Minnesota geboren wurde. Bemerkenswert ist es wegen seiner Familiengeschichte. Am Freitag gegen Weißrussland wird er zum ersten Mal als Nationalspieler die deutsche Hymne hören.
„Das wird ein sehr emotionaler Moment für mich. Ich werde sicher sehr nervös sein“, bekennt Kaufmann. Zum ersten Mal überhaupt schildert er einem Journalisten die Geschichte seines Großvaters Kurt, der an der Mosel aufwuchs, den Nazi-Terror in Köln und später im KZ überlebte und traumatisiert mit seiner Schwester in die USA floh. Kaufmann, nach nun fast vier Jahren in Düsseldorf durchaus des Deutschen mächtig, spricht dabei lieber in Englisch. In den USA wurde bei den Kaufmanns nie wieder Deutsch geredet. „Es war sehr hart für ihn, er hat nie groß darüber sprechen wollen“, berichtet Kaufmann.
Mittlerweile gibt es dazu auch keine Chance mehr, Kurt kann seinen Enkel im deutschen Trikot nicht mehr sehen. Er ist in den 1990er Jahren gestorben. Gewissensbisse hat Evan nicht. Der Eishockey-Profi ist sich sicher: „Mein Großvater wäre sehr stolz“. Vielleicht hätte auch Kurt Kaufmann am Freitag seinen Frieden mit Deutschland machen können.
Bei Evan waren es „gemischte Gefühle“, als er 2008 vom Interesse aus Deutschland erfuhr. „Ich habe nie daran gedacht, nach Deutschland zu kommen.“ Niemand aus seiner Familie war nach dem Krieg wieder in Europa, geschweige denn in Deutschland. Kaufmann aber wagte den Schritt - und bereute ihn nicht. „Es war alles sehr positiv. Ich bin super aufgenommen worden und fühlte mich auf Anhieb in Düsseldorf sehr wohl.“ Seine Eltern kommen regelmäßig zu Besuch. „Jede Saison kommen sie rüber. Sie haben auch gesehen, wie gut es uns hier geht. Das war beruhigend für sie.“ Gemeinsam besuchten sie die Heimat von Evans Opa an der Mosel. „Die älteren konnten sich sogar noch an ihn erinnern. Das war ein sehr emotionaler Moment“, erinnert sich Kaufmann.
Auch sportlich läuft es gut. Kaufmann nahm früh die deutsche Staatsbürgerschaft an, um das Kontingent an ausländischen Spielern nicht zu belasten. Beständig gehört er zu den besten Scorern in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), stand mit der DEG einmal im Finale und einmal im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft. Irgendwann wollte Bundestrainer Jakob Kölliker, dass Kaufmann für Deutschland spielt. „Er ist mir direkt aufgefallen. Er schießt konstant Tore“, so Kölliker am Rande des Deutschland Cups im vergangenen November.
Damals musste Kaufmann verletzt absagen, nun gibt es eine neue Chance. Die Familiengeschichte Kaufmanns kennt Kölliker nicht - zumindest nicht vom Spieler. „Ich selbst habe nicht mit ihm darüber gesprochen“, meint Kaufmann, der ohnehin nicht gerne darüber redet. „Ich habe da nie eine große Sache raus gemacht. Meine Teamkollegen wissen, dass ich Jude bin und waren auch immer sehr interessiert.“
Möglich, dass sich Kaufmann demnächst neue Kollegen sucht. Nach dem Ausstieg des DEG-Hauptsponsors kann Düsseldorf wohl kein Angebot machen, dass Kaufmanns Klasse entspricht. Eins ist aber klar: Kaufmann will in Deutschland bleiben - am liebsten in Düsseldorf.