Cortina will DEB-Coach bleiben - „Alles ist möglich“

Prag (dpa) - Für Eishockey-Bundestrainer Pat Cortina ist die WM in Tschechien von Freitag an wohl seine vorerst letzte. Der Vertrag des 50 Jahre alte Italo-Kanadiers läuft danach aus, eine Verlängerung gilt als unwahrscheinlich.

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„Das große Ganze ist wichtiger als ich“, sagte Cortina der Deutschen Presse-Agentur vor dem ersten deutschen Spiel gegen Frankreich.

Es gab 22 Absagen, neun Spieler kamen erst am Dienstag dazu - Wie zufrieden sind sie unter diesen Bedingungen mit der Vorbereitung?

Pat Cortina:Ich bin nicht unzufrieden mit diesem Team. Die Leistung war meistens gut. Wir hatten vielleicht zwei Trainingseinheiten in der gesamten Zeit, die uns nicht gefallen haben.

Die bitterste Absage war sicher die von Dennis Seidenberg. Wie sehr hat sie das getroffen?

Cortina:Er hätte uns geholfen, aber er ist nicht da. Wir hätten uns alle gefreut, ihn bei uns zu haben, und das ist es auch, was sein Herz wollte. Er wollte unbedingt kommen und wäre das Risiko nicht zu groß gewesen, wäre er auch gekommen.

Was ist mit dem aktuellen Team bei der WM möglich?

Cortina:Alles ist möglich.

Was heißt das im positiven Sinne?

Cortina:Das Viertelfinale wäre ein Traum. Danach gibt es nur noch Alles-oder-nichts-Spiele und da kann alles passieren.

Ist das erste Match gegen Frankreich schon ein Schlüsselspiel?

Cortina:Ja, aber was nützt es mir, wenn wir ein gutes erstes Spiel haben und danach sechs schlechte? Wenn mir jemand sagen würde: Ihr verliert das erste Spiel und habt aber danach sechs gute Spiele - das würde ich unterschreiben. Wenn wir ins Viertelfinale kommen wollen, müssen wir uns auf das Hier und Jetzt fokussieren und nicht über Sachen nachdenken, die eventuell nach dem nächsten Schritt kommen.

Wenn alles möglich ist, heißt das auch: der Abstieg?

Cortina:Man muss hier realistisch sein: Wir haben Frank Hördler nicht dabei, Torsten Ankert fehlt. Auch Korbinian Holzer zum Beispiel war fest eingeplant. Dann haben wir ihn durch einen Wechsel in der NHL nach Anaheim verloren. Es sind insgesamt mehrere Top-Verteidiger, die uns wirklich fehlen.

Frage: Macht hnen die Situation vor allem in der Abwehr Sorgen?

Cortina:Wenn ich Nein sagen würden, würde ich lügen. Aber ich arbeite so, als wäre es nicht so. Ich glaube an die Jungs, die ich habe. Es kann sowieso keine Entschuldigung sein.

Ihr Vertrag endet nach der WM, wie geht es dann weiter?

Cortina:Keine Ahnung.

Würden sie gerne weiter Bundestrainer sein?

Cortina:Natürlich, ohne Zweifel. Ja, absolut.

Wie gehen sie damit um, dass vor der WM schon über ihren Abschied spekuliert wird? Beeinflusst es ihre Arbeit?

Cortina:Absolut nicht. Und ich hoffe, die Spieler sagen dasselbe, wenn man sie fragt. Ich muss mich auf das Hier und Jetzt fokussieren. Wenn wir eine gute WM spielen, habe ich vielleicht bessere Chancen zu bleiben. Aber ich will so nicht denken. Ich investiere all meine Energie in meinen aktuellen Job. Die Spieler sind doch in der selben Situation wie ich. Sie sind jetzt im Nationalteam. Aber die meisten wissen nicht, ob sie nächstes Jahr auch wieder dabei sind.

Was ist mit DEB-Präsident Franz Reindl abgesprochen?

Cortina:Dass wir uns jetzt auf die WM konzentrieren wollen und nicht auf meinen Vertrag. Das deutsche Eishockey braucht eine gute WM im Hinblick auf die Weltrangliste und die nächste Olympia-Qualifikation. Das große Ganze ist wichtiger als ich.

Wie beurteilen sie ihre bisherigen drei Jahre?

Cortina:Es waren schwierige Jahre. Im ersten Jahr war ich Club- und Bundestrainer zugleich, zudem Sportdirektor. Da hatte ich vielleicht nicht genug Energie für das Nationalteam. Im zweiten Jahr war ich immer noch Bundestrainer und Sportdirektor, außerdem gab es da den Umbruch und die Neuaufstellung im DEB. Schon wieder hatte ich nicht so viel Energie, die ich vielleicht gerne gehabt hätte. Erst jetzt fühlt es sich so langsam an, dass es auch wirklich mein Team ist.

Sie wollen also wirklich gerne weitermachen...

Cortina:Natürlich. Jetzt ist es mein Team, erst jetzt nimmt es langsam Gestalt an. Hinzu kommt, dass Franz Reindl und seine Mannschaft neu an der DEB-Spitze sind. Sie machen einen Super-Job und geben dem Nationalteam die Bedeutung, die es braucht. Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass das schon früher so gewesen wäre.

Was meinen sie damit konkret?

Cortina:Wir müssen uns mehr um das Nationalteam kümmern. Ich habe wirklich Verständnis für die Liga. Sie ist sehr erfolgreich. Aber wir brauchen mehr Zeit für das Nationalteam. Wir fahren jetzt zu einer WM und haben gerade einmal zwei Tage Vorbereitung mit dem kompletten und endgültigen Kader. Ich beschwere mich nicht. Ich verstehe die Situation und warum sie so ist. Aber wenn wir besser werden wollen, brauchen wir mehr Zeit in der Vorbereitung für den gesamten Kader.

Hat sich ihre Arbeit verändert, seitdem sie nur noch Bundestrainer sind?

Cortina:Sie hat sich sehr verändert. Ich habe viel mehr Zeit für Spielerbeobachtung, für den Nachwuchs auch für das Coaching.

Bekommen sie eigentlich die Gerüchte mit, dass Uwe Krupp nach der WM wieder Bundestrainer werden könnte?

Cortina:Ich habe darüber nichts gehört. Das würde meine Arbeit auch nicht beeinflussen.

Stört es sie auch nicht, dass er bei vielen Länderspielen neben Franz Reindl auf der Tribüne sitzt?

Cortina:Meine Güte, sein Sohn spielt für Deutschland. Er könnte auch als Fan die Spiele besuchen. Das ist nicht mein Baby, es ist das Baby von jedem. Sollte es nach der WM einen anderen Bundestrainer geben, würde ich auch Spiele der Nationalmannschaft besuchen.

ZUR PERSON:Pasqualino „Pat“ Cortina (50) wurde in Montréal geboren. 2012 wurde er Nachfolger des glücklosen Jakob Kölliker als Bundestrainer beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB). Der damalige DEB-Präsident Uwe Harnos machte Cortina zudem zum Sportdirektor. Dies revidierte Harnos-Nachfolger Franz Reindl später. Bis 2013 war Cortina Coach des EHC München in der Deutschen Eishockey Liga (DEL).