Cortinas kniffliger Spagat - DEB-Auswahl braucht Siege
Minsk (dpa) - Selbst nach dem erneut verpassten WM-Viertelfinale steht für die deutsche Eishockey-Auswahl im abschließenden Vorrundenspiel gegen die USA viel auf dem Spiel.
Nichts Geringeres als die Qualifikation für die Olympischen Winterspiele 2018 gerät in Gefahr, wenn das deutsche Team bei der Weltmeisterschaft in Minsk und in den kommenden Jahren nicht genügend Punkte für die Weltrangliste sammelt. Dafür zählt die WM-Platzierung - und damit jeder Sieg.
Im Optimalfall kann sich das Team von Bundestrainer Pat Cortina in der Endabrechnung Platz elf sichern. Wahrscheinlicher ist Rang 14, einhergehend mit einer weiteren Verschlechterung in der Weltrangliste, wo Deutschland nur noch Elfter ist. Nach dem neunten Platz 2013 ist die WM in diesem Jahr wieder ein klarer Rückschritt. „Wenn wir mit dem Team vom letzten Jahr hier wären und schlechter platziert wären, wäre es ein Rückschritt. Aber wenn wir einen Prozess starten, kann ich das nicht sagen“, hielt Cortina dagegen.
In seiner Doppelfunktion als Sportdirektor und Bundestrainer muss der 49-Jährige einen schwierigen Spagat meistern: Einerseits an die Zukunft denken und für die gemeinsam mit Frankreich auszurichtende WM 2017 ein konkurrenzfähiges Team aufbauen. Als Coach wird er aber an Ergebnissen gemessen. Und die sind dieses Jahr eher mau.
Nach dem guten Auftakt mit den Siegen gegen Kasachstan und Lettland blieb das Team nach vier Niederlagen hintereinander mit den bitteren und vermeidbaren Pleiten gegen die Schweiz und Weißrussland unter den Möglichkeiten. „Ich glaube nicht, dass es fair ist, dieses Team nach der Platzierung zu beurteilen“, befand Cortina jedoch: „Wenn das die Priorität wäre, hätten wir Dinge anders machen müssen.“
Nach den vielen Absagen im Vorfeld etwa mehr Routiniers mitnehmen. Zahlreiche Leistungsträger fehlten wegen Verletzungen oder aus persönlichen Gründen, darunter die NHL-Profis Christian Ehrhoff und Alexander Sulzer. „Die Schlüsselspieler, die nicht hier sind, hätten wohl ein paar entscheidenden Tore für uns gemacht“, meinte Cortina und dachte an erfahrenen Stürmer wie André Rankel und Michael Wolf. „Wir hatten nicht viel zur Auswahl.“ Routiniers wie den Kölner John Tripp oder Thomas Greilinger und Patrick Köppchen vom DEL-Meister Ingolstadt hatte der Coach aber bewusst nicht zur WM eingeladen.
Cortina leitete dagegen den notwendigen Verjüngungsprozess mutig ein. In einem Team ohne NHL-Spieler setzte er konsequent auf die Talente Leon Draisaitl (18), Tobias Rieder (21) und Marcel Noebels (22) aus Nordamerika. Dafür wurde der Coach belohnt, das Trio zeigte ebenso wie Keeper Philip Grubauer (22) starke Leistungen.
Gerade auf der Torhüterposition bewies der Italo-Kanadier aber keinen Mut. Gegen den weißrussischen Gastgeber baute Cortina statt auf den gegen Lettland (3:2) überragenden Grubauer auf den Berliner Rob Zepp, der sich nur 24 Stunden nach dem 0:4 gegen Finnland aber zu viele Patzer leistete. NHL-Torwart Thomas Greiss hatte Cortina nicht mit nach Minsk genommen. Mannheims Dennis Endras, international schon so oft sicherer Rückhalt für Deutschland, blieb freiwillig daheim.
Nach dem 2:5 gegen Weißrussland war die zuvor glänzende Aussicht auf das Viertelfinale dahin. „Diese WM ist es so, dass wir große Möglichkeiten hatten, es aber am Ende nicht geschafft haben“, bilanzierte Kapitän Frank Hördler daher. Fraglich ist, ob Deutschland es nächstes Jahr in Tschechien schaffen wird. Spieler wie Grubauer, Rieder, Noebels und Draisaitl dürften in Nordamerika ihren Weg machen und daher nicht jedes Jahr bei der WM zur Verfügung stehen.
„Ich hoffe“, antwortete Cortina auf die Frage, ob der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) die Geduld für seinen in Gang gesetzten Verjüngungsprozess aufbringt: „Ich weiß, ich werde es.“ Cortinas Vertrag läuft indes im kommenden Jahr aus.