„Lehre“ aus Minsk - Cortina: „Viel Arbeit“ bleibt
Minsk (dpa) - Über die Schwächen beim deutschen Eishockey hätte Bundestrainer Pat Cortina einen längeren Vortrag halten können. „Wie viel Zeit haben wir?“, setzte der 49-Jährige der Frage nach dem Unterschied zu den Top-Mannschaften entgegen.
„Wir brauchen eine ganze Reihe von Dingen. Eine Top-8-Eishockey-Nation zu sein, ist nicht leicht. Da ist viel Arbeit zu tun“, erklärte der Coach und zugleich DEB-Sportdirektor und begann damit, eine bessere Nachwuchsarbeit und mehr Zeit für die Nationalteams aufzulisten.
Die WM in Minsk brachte wieder einmal zutage, dass die deutsche Auswahl ein Stück von den Besten entfernt ist. Schon 2012 und 2013 endete das Kräftemessen der Weltbesten für Deutschland vor der Phase, in der über Triumph oder Tränen entschieden wird.
Cortina wirkte ein wenig enttäuscht, aber nicht zu sehr mitgenommen, als die minimale Chance auf das Viertelfinale nach dem bitteren 2:5 gegen Weißrussland noch mehr theoretische Natur annahm. Immer wieder huschte ein Lächeln über sein Gesicht, wenn es auch ab und an gequält schien. Fest geglaubt schien er an die Runde der letzten Acht nicht zu haben. „Wir haben darüber nicht vor dem Turnier geredet, und ich werde nicht jetzt darüber reden. Wir denken Schritt für Schritt“, betonte er auf Englisch.
Vor dem Vorrundenabschluss gegen Russland an diesem Sonntagabend und die USA gingen für die Playoff-Qualifikation entscheidende WM-Spiele an die Schweiz (2:3) und an den Gastgeber. „Ein bisschen Glück, ein bisschen Erfahrung, ein weiteres Tor“, versuchte Cortina am Samstag ein wenig ratlos die Gründe zu erklären. „Wir waren dran, es hat sich nicht zu unseren Gunsten gewendet. Ich weiß nicht, was wir gerade mehr machen können.“ Immerhin brachten die Siege gegen Kasachstan und Lettland das Team früh auf Kurs Klassenverbleib, dem Minimalziel.
Die Chancenverwertung des jungen deutschen Teams erwies sich als ein Defizit bei der umstrittenen WM-Premiere in der früheren Sowjetrepublik. Cortina mahnte mehrmals Konzentration und Konstanz über die vollen 60 Minuten an. Und es fehlte an Ausnahmekönnern, die die Weißrussen in Person der NHL-erfahrenen Sergej Kostizyn und Michail Grabowski in ihren Reihen hatten.
„Die Jungs haben gekämpft, gut gespielt - es hat nicht gereicht. Es sind ein paar Zentimeter hier und da, die die anderen ausnutzen“, fasste Kapitän Frank Hördler nach dem Weißrussland-Spiel geknickt, aber nicht resigniert auch für die gesamte Woche passend zusammen. Cortina meinte: „Jetzt zusammenzustehen, ist eine wichtige Lehre für das junge Team. Wir müssen versuchen, davon zu lernen.“
Der Coach schenkte im Tor im dritten Spiel in Serie Rob Zepp das Vertrauen, der gegen Lettland starke AHL-Goalie Philipp Grubauer schmorte auf der Bank. Ein überragender Torhüter wäre nötig gewesen. Zepp erwischte jedoch keinen Glanztag, 5 der 16 Torschüsse musste der Berliner passieren lassen. „Ich bin mir sicher, dass sich Rob Zepp das eine oder andere Gegentor zurückwünschen würde“, sagte Cortina und nahm ihn in Schutz: „Es ist schwierig für einen Torhüter, wenn er nicht so viele Schüsse aufs Tor bekommt.“
Mutig hatte der Bundestrainer auf die Jugend um Ausnahmetalent Leon Draisaitl und die schnellen AHL-Profis Marcel Noebels und Tobias Rieder gesetzt. Eine Generation für die Zukunft, die sich noch in den kommenden Jahren mehrfach beweisen können sollte. In Minsk wollte das junge Team manchmal zu viel. Am Samstag war es „vielleicht ein bisschen ängstlich“, wie Cortina urteilte.
Die Atmosphäre aber scheint im Team zu passen. „Es macht sehr viel Spaß, zu spielen. Jeder opfert sich für den anderen auf“, schilderte Hördler: „Die Truppe ist gewollt, wieder aufzustehen.“