Druck, Drama, Draisaitl Darum geht es für das deutsche Eishockey

Köln (dpa) - Vor dem letzten Vorrundenspiel gegen Lettland steht das Eishockey-Nationalteam gewaltig unter Druck. Nur wenn die Auswahl von Bundestrainer Marco Sturm am Dienstag (20.15 Uhr) gewinnt, zieht sie bei der WM in Köln und Paris ins Viertelfinale ein.

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Das Verletzungspech von Torjäger Tobias Rieder bereitete Sorgen, die Affäre um Torhüter Thomas Greiss sorgte für Unruhe. Mit NHL-Jungstar Leon Draisaitl und NHL-Goalie Philipp Grubauer soll die Gruppenphase erfolgreich enden. Fragen und Antworten zur entscheidenden Partie.

Wieso kommt es zu diesem Alles-oder-Nichts-Spiel?

Nach dem gelungenen WM-Auftakt mit dem 2:1 gegen die USA gab es für die Deutschen gegen die Schweden und Russen erwartungsgemäß nichts zu holen. Der Vorjahres-Viertelfinalist ließ auch beim 3:2 im Shootout gegen die Slowakei und dem 2:3 nach Verlängerung gegen Dänemark Punkte liegen. Vor allem weil Ersatzkeeper Danny aus den Birken patzte. Mit je drei Zählern gegen die Dänen, die Slowaken und Italiener verdienten sich die Letten die Chance aufs Viertelfinale.

Wie stehen die Chancen?

Gut. Mehr als 18 000 Zuschauer werden in der Arena sein und die meisten den Gastgeber unterstützen. Den Heimvorteil hat die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bunds (DEB) in der Vergangenheit stets gut genutzt. Sie tritt als leichter Favorit an, auch wenn das Duell des Weltranglisten-Zehnten gegen den Zwölften als Begegnung auf einem Niveau einzuordnen ist. Mut macht, dass die Deutschen im September in Riga die Olympia-Quali im entscheidenden Spiel gegen Lettland meisterten.

Was macht Lettland stark?

Bislang überraschten die Letten. „Lettland ist eine Top-Mannschaft und mit dem neuen Trainer sehr gut organisiert“, sagte Marco Sturm. Der Kanadier Bob Hartley, der als Coach 2001 Colorado den Stanley-Cup gewann, trat erst im Dezember seinen Posten an. Elvis Merzlikins vom Schweizer Club HC Lugano zählt zu den besten Torhütern dieser WM.

Wer sind die deutschen Schlüsselspieler?

NHL-Jungstar Leon Draisaitl und NHL-Torhüter Philipp Grubauer. Beide haben nach ihrer Ankunft am Samstag frischen Optimismus ins Team gebracht. Beide könnten das Spiel allein entscheiden. Grubauer soll nach den Fehlern von aus den Birken und der Affäre um den ebenfalls nicht immer überzeugenden Thomas Greiss endlich der ersehnte sichere Rückhalt sein. Draisaitl ist Deutschlands bester Eishockey-Profi und in der NHL zum Star gereift. „Leon ist ein Spieler, der den Unterschied machen kann“, betonte Sturm.

Welche Folgen hätten das Vorrunden-Aus für das deutsche Eishockey?

Seit Jahren ist die Arbeit des Deutschen Eishockey-Bunds auf die Heim-WM ausgerichtet. Wie groß der Druck ist, beantwortete DEB-Präsident Franz Reindl schon nach dem 4:1 gegen Italien: „Nervös ist geschmälert. Das ist ein Riesendruck, der auf der Mannschaft lastet.“ Der 62-Jährige spricht seit seinem Amtsantritt im Sommer 2014 davon, dass das deutsche Eishockey 2026 so konkurrenzfähig sein will, dass es bei den großen Turnieren um Medaillen mitspielen kann. Diesmal sind die Voraussetzungen vor eigenem Publikum so gut wie lange nicht, das Potenzial im Kader scheint größer als beim sensationellen Halbfinaleinzug 2010. Klappt es nicht mit dem Viertelfinale, müsste Reindls Ziel infrage gestellt werden.

Was würde eine Enttäuschung für den Bundestrainer bedeuten?

Es wäre der erste Dämpfer in seiner noch jungen Trainer-Laufbahn. Bisher hat Sturm bei seiner ersten Station als Coach alle Erwartungen erfüllt, sei es mit dem WM-Viertelfinale 2016 in Russland, sei es mit der geglückten Qualifikation für die Winterspiele 2018. Die Entwicklung des deutschen Nationalteams ist unter dem deutschen NHL-Rekordspieler so positiv, dass sein im Sommer 2018 auslaufender Vertrag trotz einer Enttäuschung verlängert werden dürfte.

Was würde ein Vorrunden-Aus des Gastgebers für das Turnier bedeuten?

Es ist zu befürchten, dass das öffentliche Interesse für die Veranstaltung schlagartig nachlassen würde, und weniger Zuschauer in die Halle strömen. Bislang war die Zuschauerresonanz - mit Einschränkungen in Paris - positiv. Die Marke von 600 000 muss für ein gutes wirtschaftliches Ergebnis erreicht werden. Co-Ausrichter Frankreich hat seine Chance aufs Viertelfinale schon vertan.