Düsseldorfer EG Travis Turnbull — spät gestartet und früh in Form
Der DEG-Stürmer verpasste fast die komplette Vorbereitung. Trotzdem war er in der CHL bereits erfolgreich.
Düsseldorf. Wer dieser Tage auf Travis Turnbull trifft und ihn nach seinem Zustand fragt, bekommt eine verblüffende Antwort: „Ich bin bei 100 Prozent. Ich fühle mich viel besser als letztes Jahr“, sagt der 29-Jährige dann. „Letztes Jahr war ich mitten in der Saison krank. Dieses Jahr fühle ich mich phänomenal.“
Nun haben US-Amerikaner ja eine Neigung zu großen Adjektiven. Gerade, wenn sie ihr Geld mit Sport verdienen. Aber im Fall des Eishockey-Stürmers der Düsseldorfer EG ist die Wortwahl schon erstaunlich. Während sich der Rest des Teams seit Anfang oder zumindest Mitte Juli auf die Saison vorbereitete, wartete Travis Turnbull zu Hause in den USA auf die Geburt seines ersten Kindes.
Das war mit der DEG so ausgemacht und sorgte überall für Verständnis. Bis zum Beginn des Eistrainings Ende Juli würde er ja da sein. Doch als er das und eineinhalb Wochen später sogar die Fahrt in die Schweiz verpasste, wurde die Geduld seiner Arbeitskollegen auf eine gehörige Probe gestellt.
„Für Travis wird es immer schwieriger, sich bei seiner Rückkehr in die Mannschaft einzufinden“, sagte Trainer Christof Kreutzer während des Trainingslagers und wirkte alles andere als begeistert. Zwar lag ihm nichts ferner, als Turnbull vor der Geburt seines ersten Kindes über den Atlantik zu zitieren, sportlich sei der Sonderurlaub aber „kein Bonus, dass er dann sofort in der ersten Reihe spielt, das muss er sich schon hart erarbeiten“.
Ähnlich sahen das die Kollegen. Würde Turnbull sofort spielen, wäre es „unfair den anderen gegenüber, die die ganze Vorbereitung mitgemacht haben und dann nicht spielen“, sagte Alexander Preibisch. Selbst der teaminterne Toptorjäger der Vorsaison (21 Treffer) müsse sich seinen Stammplatz erst wieder verdienen.
Als Kasey Turnbull Tochter Bradley dann zur Welt gebracht hatte und Vater Travis kurz danach in Düsseldorf eintraf, blieben ihm nur ganze fünf Tage bis zum Start in die Champions League gegen Linz. Was den bulligen Center nicht daran hinderte, beim 6:3 gleich zwei Tore vorzubereiten. Eine Woche später gegen Turku (4:5) traf er selbst und steuerte eine weitere Vorlage bei. Gemeinsam mit Norm Milley und Manuel Strodel bildet der Spätstarter gerade die gefährlichste Reihe der DEG (vier Tore, sieben Vorlagen).
Überraschen kann das den Stürmer, der vergangenen Sommer aus Ingolstadt als Meisterspieler zurück zur DEG wechselte, nicht. Er habe ja nicht auf dem Sofa gelegen, während die anderen tausende Kilometer entfernt geschwitzt haben. „Ich habe im Sommer hart gearbeitet. Ich bin ein viel besserer Spieler geworden“, sagt er und berichtet vom Trainingscamp mit den Millionenstars vom NHL-Club St. Louis Blues.
Selbst mit 29 Jahren habe er von Skills-Coach Jamie Rivers noch etwas lernen können. „Wir haben viel an meinem Schuss gearbeitet, besonders Direktabnahmen“, sagt Turnbull und hofft, „dass ich eine Chance im Power Play bekomme und das zeigen kann“.
Langfristig wird ihm Christof Kreutzer den Wunsch wohl erfüllen. Aber noch sieht ihn der Trainer nicht in Topform. „Travis ist da, ihm fehlen aber noch ein paar Kleinigkeiten, dafür muss er hart arbeiten“, sagt Kreutzer. Das lange Fehlen sei „nicht nur eine physische, sondern auch eine mentale Sache“.
Spielpraxis, Abläufe, Taktik, Automatismen. Dinge, die nur funktionieren, wenn man gemeinsam mit dem Team trainiert. Natürlich komme Turnbull nicht wirklich von außen. „Wenn er jetzt ein ganz neuer Spieler wäre, wäre es noch ein bisschen schwerer“, sagt Kreutzer, der sich deswegen sicher ist: „Bei Travis habe ich keine Angst, der macht das schon.“