Spiel gegen Lettland Eishockey-WM: Tiffels Traum wird Wirklichkeit
Mit seinem entscheidenden Penalty im WM-Duell gegen Lettland verzückt ein 21-Jähriger ganz Eishockey-Deutschland.
Köln. Immer wieder ließ Frederik Tiffels seinen Blick in die Runde schweifen. Es wirkte so, als würde der 21-Jährige selbst eine Frage an die Medienvertreter in der Kölnarena haben, die sich vor dem Absperrgitter drängelten und ihm ihre Aufnahmegeräte vor das strahlende Gesicht hielten. Aber nein, es war kein Traum. Das wurde auch dem gebürtigen Kölner langsam klar, der früher mit seiner Dauerkarte die heimischen Haie anfeuerte und 2015 von den Pittsburgh Penguins im Entry-Draft der nordamerikanischen Profiliga NHL ausgewählt wurde.
In seinem achten Länderspiel hatte der Flügelstürmer der Western Michigan University den entscheidenden Penalty verwandelt und die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft damit ins Viertelfinale der Heim-WM geschossen. „Ich habe mir gar keinen Druck gemacht als ich angelaufen bin. Wenn ich nicht getroffen hätte, wäre das Spiel ja noch weiter gegangen“, gab sich Tiffels abgeklärt. „Ich hab es mir erhofft, dass ich schießen darf. Und als die Teamkollegen danach auf mich zugestürmt sind, war das schon ein unbeschreibliches Gefühl.“
Deutschland gegen Lettland war „so etwas wie ein Spiel sieben in den Play-offs“, sagte Bundestrainer Marco Sturm, dem die Erleichterung über das 4:3 nach Penaltyschießen über ebenbürtige Letten wie ein unsichtbares Plakat auf die Stirn geschrieben war. „Es war unser bestes Turnierspiel, auch wenn es am Schluss glücklich zustande gekommen ist. Eishockey ist halt ein geiler Sport“, entfuhr es dem 38-Jährigen.
Diese Einschätzung basierte selbstverständlich vor allem auf dem filmreifen Spielverlauf. 2:0 geführt, weniger als vier Minuten vor dem Ende das 2:3 kassiert und dann doch noch in die Verlängerung gerettet. Ein glänzend aufgelegter Philipp Grubauer im Tor und der unbedingte Wille, nicht vorzeitig bei der Heim-WM auszuscheiden, waren die Grundvoraussetzungen für das 3:3 durch Felix Schütz, 33 Sekunden vor der Schlusssirene. Diese Momente erinnerten an das entscheidende Tor von Mirko Lüdemann in der Olympia-Qualifikation für die Spiele 2002. Damals war es der Kölner, der Eishockey-Deutschland wenige Sekunden vor dem Ende in einen Zustand der Ekstase versetzte.
Sturm hatte beim Penaltyschießen, in dem es nicht nur um das Erreichen der Runde der letzten Acht, sondern auch um den Grundtenor des Gesamtfazits nach dem Turnier ging, mit Dominik Kahun, Leon Draisaitl und Frederik Tiffels bewusst auf die drei Youngster gesetzt, von denen die ersten beiden mit ihrem Penalty scheiterten. „Ich hatte das so im Gefühl. Das sind die ,best buddies‘“, sagte Sturm über das Trio. „Die sind immer zusammen, auch abseits des Eises. Ich glaub, die teilen sich sogar ein Zimmer, obwohl es nur Doppelzimmer gibt.“
Das heutige Viertelfinale gegen Topfavorit Kanada (20.15 Uhr) ist so etwas wie die Zugabe für die DEB-Auswahl. Dennoch ist von Zurückhaltung wenig zu spüren. „Auf dem Papier sind sie der Favorit, aber das kann uns ja letztlich egal sein“, erklärte Verteidiger Dennis Seidenberg, der für den Bundestrainer „der bislang beste Verteidiger bei dieser WM“ ist. Tiffels, der unbekümmerte Held, wollte zunächst noch gar nicht auf das Duell mit den „Ahornblättern“ schauen, sagte dann aber: „Ein WM-Viertelfinale spielst du nicht alle Tage. Wir werden unser Bestes geben und sehen, was dabei herumkommt.“ Und dann blickte er nochmal in die Runde. Realität. Viertelfinale.