Eiszeit in Minsk: Umstrittene WM in Weißrussland beginnt
Minsk (dpa) - Wohl noch keine Eishockey-WM war politisch so umstritten wie das Turnier im autoritären Weißrussland. Die Opposition in Minsk warnt davor, dass der als letzter Diktator Europas gescholtene Staatschef Lukaschenko den Wettbewerb als Propagandashow missbrauchen könne.
Eiszeit herrscht zwischen Weißrussland und dem Westen schon lange. Wegen ihrer Repressionen und politischen Gefangenen ist die Führung in Minsk von der Europäischen Union und den USA mit Sanktionen belegt. Dennoch ist die Ex-Sowjetrepublik von Freitag an Gastgeber der Eishockey-Weltmeisterschaft (9. bis 25. Mai) - zum großen Entsetzen von Menschenrechtlern.
Immer wieder wurden Zweifel laut, ob ein autoritäres Land ein solches Weltsportereignis ausrichten sollte. Staatschef Alexander Lukaschenko gilt als Europas letzter Diktator - in einem Land, das als letztes auf dem Kontinent die Todesstrafe vollstreckt: per Genickschuss.
Amnesty International hat nun die Regierung in Minsk aufgefordert, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu achten. „Im Vorfeld der Eishockey-WM versuchen die Behörden durch Verhaftungen kritische Stimmen auszuschalten und Aktivisten einzuschüchtern“, sagte Jovanka Worner von der Menschenrechts-Organisation. „Die weißrussische Regierung tritt die Meinungs- und Versammlungsfreiheit immer wieder mit Füßen. Es ist Zeit für Fairplay bei den Menschenrechten!“
Den WM-Touristen will sich Belarus nun von seiner besten Seite präsentieren. In Minsk ist die Bühne für die Eishockey-WM längst bereitet: Zwei moderne Hallen stehen in der Hauptstadt für das Turnier zur Verfügung. Die Minsk-Arena mit rund 15 000 Plätzen ist auch Heimstätte für den Verein Dynamo, der in der ambitionierten russischen Kontinentalen Hockey-Liga (KHL) spielt.
Dass ihr Land ein Großereignis wie die Eishockey-WM ausrichtet, erfüllt viele der knapp zehn Millionen Weißrussen mit Stolz. Im Nachbarland von Polen ist Eishockey Nationalsport. „Spiele wie Kanada gegen Schweden oder Russland gegen die USA zu sehen, davon träumt jeder Fan - falls er ein Ticket ergattert“, schreibt die Zeitung „Norodnaja Wolja“.
Die Neugier auf die Gäste aus dem Westen sei zudem groß. In einem überraschenden Schritt hat Lukaschenko für Fans und Teilnehmer die Visumspflicht ausgesetzt. Zuschauer bräuchten an der Grenze lediglich ihre Eintrittskarte vorzuzeigen, heißt es in Minsk. Dabei hatte Lukaschenko zuvor immer wieder gewarnt, westliche Ausländer trügen den „Geist des Umsturzes“ ins Land. Der Staatschef habe sich letztlich aber dem Wunsch der Internationalen Eishockey-Föderation IIHF gebeugt, vermuten Beobachter vor dem Turnier.
Für die Staatsführung gilt der Wettbewerb auch als Propaganda-Coup in der Konfrontation mit dem Westen. Beobachter vergleichen die WM etwa mit den Erfolgen von Darja Domratschewa. Die populäre Biathletin gewann bei den Olympischen Winterspielen im Februar in Sotschi drei Goldmedaillen für Weißrussland. „Sport ist eines der raren Felder, in denen das Regime sich beweisen kann: Wir gehen unseren Weg und sind erfolgreich“, sagte die weißrussische Politologin Maryna Rakhlei damals der Nachrichtenagentur dpa.
Die Opposition in Minsk ruft nun westliche Politiker auf, die WM zu boykottieren. Und sie bittet Teilnehmer und Fans, sich auch für die Lage im Land zu interessieren - nicht nur für Tore und Punkte. Der leidenschaftliche Eishockey-Fan Lukaschenko werde sich bei der WM sicher selbst inszenieren - so wie in der Vergangenheit bereits bei Prominentenspielen mit Kremlchef Wladimir Putin in Sotschi, meint der frühere Präsidentenkandidat Andrej Sannikow.
Er war wegen der Organisation gewaltsamer Massenproteste zu fünf Jahren Straflager verurteilt worden und erhielt nach seiner Freilassung 2012 politisches Asyl in Großbritannien. In einem Offenen Brief, den das oppositionelle weißrussische Internetportal charter97.org nun veröffentlichte, bringt Sannikow seine Enttäuschung über den Weltverband IIHF zum Ausdruck.
Bereits vor Beginn des Turniers hätten die Sicherheitskräfte mit Repressionen gegen Regierungsgegner begonnen, heißt es dort unter anderem. So sei der Oppositionelle Maxim Winjarski unter „fadenscheinigen Gründen“ festgenommen worden. „Die Weltmeisterschaft in Minsk droht zum peinlichsten Wettbewerb in der Geschichte des Eishockeys zu werden“, meint Sannikow.