Serie „Na, hast du Angst?“ – auf dem Eis mit dem KEV
Krefeld · Die Pinguine haben WZ-Mitarbeiter Janis Beenen zum Training eingeladen. Der kann zwar nicht Eislaufen, will die Jungs aber fit für die Saison machen.
Die Ziele, mit denen ich die Halle der Krefelder Pinguine betrete, sind angemessen ambitioniert: Die Jungs sollen fit werden, sodass es in der anstehenden Saison endlich wieder für die Play-offs reicht. Und ich selber möchte ein Tor beisteuern, am besten im Derby gegen Düsseldorf.
Nur gibt es ein Problem: Vom Profisportler bin ich so weit entfernt wie Schalke 04 von erfolgreichem Fußball. Gerade das Eis ist fremdes Terrain. Die paar Minuten, die ich im Leben auf Kufen verbringen musste, liegen Jahre zurück. Trotzdem hat der KEV zum Training eingeladen: Eiszeit statt Schreibtischzeit. Große Halle statt Großraumbüro.
Ein verlockender Tausch, dieser Gedanke hält sich nach der Ankunft kaum zehn Minuten. Dann zeigt Teammanager Robin Kohl den Weg in die Kabine. Holzbänke, Schweißgeruch, Hip-Hop-Musik aus den Boxen und harte Jungs, die Spieler sind schon da. „Das ist Janis, ein Journalist, er trainiert heute mit“, sagt Kohl der Gruppe. Ein kurzes Murmeln, schon packen sich die Kanten weiter in ihre Schutzausrüstung.
Drei Männer müssen
beim Anziehen helfen
Kohl stellt mir eine riesige Tasche vor die Füße. Da sei mein Zeug drin. So viel? Hat der Mann mit der gesamten Redaktion auf dem Eis gerechnet? Als er auspackt wird klar, was die Spieler alles übers Feld schleppen. Protektoren für Oberkörper, Ellenbogen, Beine und Unterleib reicht Kohl an. Eine halbe Stunde dauert es, den Kram anzulegen.
Wechselweise müssen mir Kohl und zwei Betreuer helfen, damit alles fest sitzt. Dieses Szenario hatte ich beim Anziehen eigentlich frühestens nach dem 80. Geburtstag erwartet. Aber egal, Hauptsache sicher. Ob ich Erfahrungen auf dem Eis habe, will Betreuer Christian Menningen wissen. „Ne“. Er reißt die Augen auf, mehr nicht.
Pietta blutet und der Reporter
hat die Hosen voll
Der Schweiß perlt bereits über die Stirn, ohne dass ich überhaupt einen Schläger in der Hand hatte. So schwer lastet die Ausrüstung und so fordernd sind die Verrenkungen, um sich in die Utensilien zu zwängen. Fast ist es geschafft. Der Gedanke an die Zahnzusatzversicherung weicht einem Wird-schon-werden-Moment. Da kommt Stürmer Daniel Pietta vom Eis in die Umkleide, er blutet stark am Mund. Ein Puck hat ihn getroffen, er muss zum Arzt. Jetzt habe ich die Hosen voll. Dennoch soll ich gleich aufs Eis.
Auf den Schlittschuhen wanke ich durch die kahlen Gänge der Halle. Was werden wir wohl trainieren? Torschüsse, Bodychecks oder den lässigen Sprung über die Bande aufs Feld? Hinter der Plexiglasscheibe verfolgen zwei ältere Herren das Training. Mitleidig schauen sie rüber. Mit mir im Sturm gebe es eine Top-Saison, versichere ich ihnen. Sie drehen sich weg. So richtig lustig finden sie Selbstüberschätzung wohl nicht. Zu viel bedeutet den Fans dieser Verein. Das weiß ich eigentlich seit der Vorbereitung auf meine Kommunion. Alle Kinder sollten an einem Nachmittag im Pfarrhaus Gebete und Fürbitten aufschreiben. Kommunionkind Simon fragte beim lieben Gott möglichst viele Tore und Titel für den KEV an. War bekanntlich nur mittelerfolgreich. Womöglich, weil der gut gemeinte Wunsch nie in der Messe zum Vortrag kam.
Der Co-Trainer malt die Taktik,
der Neuling wackelt
Mittlerweile ist das Törchen zum Eis nur noch wenige Meter entfernt. „Na, hast du Angst?“, fragt Betreuer Jörg Uhlmann. „Geht so.“ „Kommt gleich noch“, sagt Uhlmann und verschwindet im Kabinentrakt. Er hat Recht. Die Spieler flitzen über das Feld und schaben bei den Kurven über das Eis. Pucks knallen gegen die Bande, völliges Chaos für den Laien.
Nach einigen Minuten holt Coach Brandon Reid das Team am Rand zusammen. Sein Assistent Pierre Beaulieu malt Spielzüge an eine Tafel. Ein guter Moment, sich dazuzugesellen. Ich mühe mich in den Halbkreis stehender und kniender Spieler. Beaulieu zuzuhören ist unmöglich, auf dem Eis stehen zu bleiben, fordert die volle Konzentration.
Das Einzeltraining soll
das Debakel verhindern
Als sich die Runde auflöst, komme ich kaum vom Fleck. Das fällt den Profis auf. Ich soll mich erstmal etwas abseits der Gruppe eingewöhnen. Also schiebe ich mich stocksteif Zentimeter für Zentimeter über das Eis – gestützt auf meine Gehhilfe, den Schläger. Der Versuch, einen der rumliegenden Pucks ins Tor zu semmeln, gerät zum Debakel. Ich nehme Schwung und verliere sofort mein Gleichgewicht. Schwupps, schon lande ich auf dem Po.
Co-Trainer Beaulieu merkt, dass das so nichts werden kann. Flink rauscht der Kanadier rüber: Einzeltraining. Als erstes zeigt er, wie das Skaten funktioniert. Die Füße nach außen weg gleiten lassen. Und den Schläger mit einer Hand nach vorne ausstrecken, um die Bewegungsfreiheit nicht einzuschränken. Aufrecht wie ein Brett holpere ich nach vorne. „Bend your knees. Bend your knees“, brüllt Beaulieu hinterher. Ich soll also meine Knie beugen, in der Hocke fahren.
Den Körperschwerpunkt nach unten zu verlagern, soll mehr Stabilität im Spiel verleihen. Meine Versuche muten eher seniorenhaft an. Die Kurven zu fahren, wird also nicht einfacher. Ich soll dazu das Gewicht auf einen Fuß verlagern. Klappt nicht so recht, stattdessen verlagere ich meinen ganzen Körper auf den Boden. Der Trainer muntert auf. „Spieler fallen, sogar Trainer fallen.“
Passen oder den Puck führen? Eine schwierige Abwägung
Beaulieu holt den Puck. Er spielt mich an, ich soll passen oder das Spielgerät am Schläger führen. Eine Abwägung, wie am Sonntagabend im Fernsehen zwischen dem Traumschiff und der Reisesendung im dritten Programm – so richtig erfolgversprechend ist keine Variante. Wenn ich den Puck überhaupt mal treffe, schlittert er kaum bis zum Coach zurück. Die Scheibe führen und das Gleichgewicht halten, ist noch komplizierter.
„Deshalb ist Eishockey für Menschen der schwierigste Sport“, sagt Beaulieu. So verständnisvoll und freundlich der Mann ist, so skeptisch bin ich, ob er mich hier gebrauchen kann. „Wir laden dich auf jeden Fall noch mal ein“, sagt Beaulieu und zwinkert kurz. Ich hätte hart gearbeitet. Dass sei das, was das Trainerteam verlange. Also verrate ich ihm meinen großen Wunsch, der Treffer gegen Düsseldorf. Vielleicht im letzten Derby der Saison, wenn ich übe und besser werde, meint der Trainer. Also liebe KEV-Fans, freuen wir uns gemeinsam auf den 6. März 2020. Ich verspreche den Schuss zum Sieg, ganz sicher.