Russlands Titeljagd: Ex-Zweitligaprofi formt Siegerteam
Minsk (dpa) - Den Vergleich mit den Heim-Winterspielen von Sotschi blockt Russlands Coach Oleg Znarok unwirsch ab. „Nächste Frage“, grummelte der 51-Jährige mit finsterem Blick.
Dennoch geht es für die russischen Eishockey-Cracks bei der WM in Minsk vor allem um Wiedergutmachung für die Olympia-Pleite. Das unerwartete Viertelfinal-Aus hatte sie in ihrem Stolz tief verletzt. „Keiner kann es vergessen“, gab Stürmer Viktor Tichonow zu.
Drei Monate später scheint die Sbornaja bei der WM nicht aufzuhalten und greift an diesem Wochenende zum 27. Mal nach dem Titel. Im Halbfinale am Samstag (13.45 Uhr) werden die Russen Titelverteidiger Schweden alles abverlangen. Gegen wen nach der famosen Bilanz von acht Siegen in acht Partien der nächste Schritt erfolgt, war Superstar Alexander Owetschkin aber ohnehin egal. „Dafür sind wir hier, um Gold zu gewinnen“, betonte der Kapitän nach dem ungefährdeten 3:0 über Frankreich.
In weniger als zwei Monaten zauberte Znarok aus einer Ansammlung von Stars ein taktisch diszipliniertes Team, das bislang 34 Tore schoss (die meisten) und nur 7 Gegentreffer (die wenigsten) zuließ. „Wir haben ein Siegerteam geschaffen - das ist das Geheimnis“, erklärte der gebürtige Lette schon während der Vorrunde. Erst Ende März übernahm der Coach den begehrten Posten von Vorgänger Sinetula Biljaletdinow, der nach dem Aus von Sotschi nicht bleiben durfte.
Als Stürmer tummelte sich Znarok einst für Landsberg, Freiburg und Heilbronn in der 2. Liga in Deutschland, weil ein NHL-Vertrag in Boston wegen seiner mangelnden Englisch-Kenntnisse platzte. Nun ist der Trainer mit deutschem Pass drauf und dran, mit Russland den WM-Titel zu holen.
Extraklasse auf dem Eis können die Russen vor allem mit den NHL-Ausnahmekönnern Owetschkin und Jewgeni Malkin aufweisen. „Das Team der Russen ist geprägt von Charakter-Spielern, die bestimmt sind, zu gewinnen“, urteilte Weißrusslands kanadischer Coach Glen Hanlon, als er nach der knappen 2:3-Niederlage im Viertelfinale gegen Schweden auf die Russen angesprochen wurde.
Auch die Skandinavier zeigen Respekt. „Sie haben einige außergewöhnliche Spieler in ihren Reihen“, sagte Joakim Lindström. Dennoch rechnen sich die Schweden selbst gute Titelchancen aus. „Gold ist das Ziel, ich denke, wir haben eine Chance“, stellte Lindströms Teamkollege Mikael Backlund klar.
Auch auf Torhüter Anders Nilsson wird es wieder ankommen. „Jeder muss auf dem besten Level spielen, damit wir eine Chance haben“, befand er. Nilsson war einer der Sieggaranten gegen die Gastgeber in der Runde der letzten Acht. Zwischen seiner Parade beim Penalty des weißrussischen Kapitäns Alexej Kaljuschny und dem Siegtreffer von Mattias Ekholm lag nicht einmal eine Minute. Kurios: Ekholm hatte den Penalty verursacht.
Nachdem Olympiasieger Kanada und die junge US-Auswahl die Heimreise antreten mussten, spielen nun ausnahmslos nur noch europäische Top-Nationen um den Titel. Im zweiten Halbfinal-Duell kommt es am Samstag (17.45 Uhr/Sport1) zwischen Tschechien und Finnland zu einem weiteren Klassiker. Die Finnen greifen nach der ersten Medaille seit dem Titel 2011, die Tschechen kamen in den vergangenen vier Jahren dreimal mit Edelmetall nach Hause. „Es ist so eng, jeder kann gewinnen“, meinte Schwedens Stürmer Gustav Nyguist vor dem Wochenende der Entscheidungen.