Porträt Absturz eines Weltmeisters: Großkreutz und sein Privatleben
Stuttgart (dpa) - Ein Liebling der Fans zwischen Engagement und Eskapaden: So sehr Kevin Großkreutz auf dem Fußballplatz lange Zeit für Leistung und Einsatz stand, so sehr sorgte der ehemalige Nationalspieler immer wieder abseits des Platzes für Negativschlagzeilen.
Zu seiner Glanzzeit bei Borussia Dortmund wurde ihm das noch weitgehend verziehen, der VfB Stuttgart aber hatte nach einer körperlichen Auseinandersetzung in einem Ausgehviertel nun genug. „Kevin weiß, dass er großen Mist gebaut hat“, sagte VfB-Sportvorstand Jan Schindelmeiser.
Großkreutz war beim BVB unter Trainer Jürgen Klopp eine der Identifikationsfiguren schlechthin. Schon als Jugendlicher fieberte der heute 28-Jährige auf der legendären Südtribüne des Dortmunder Stadions mit und schaffte später den Sprung vom Fan zum Fußballprofi. Auch sportlich überzeugte er: Als Teamplayer, den seine Trainer auf verschiedenen Positionen bringen können, stieg er auf bis zum deutschen Meister und Pokalsieger - und 2014 zum Weltmeister, wenn auch ohne Einsatzminute in Brasilien.
Doch der jüngste Vorfall, bei dem der gebürtige Dortmunder in der Nacht von Montag auf Dienstag mit Jugendlichen in eine Schlägerei geriet und im Krankenhaus ärztlich versorgt werden musste, hat seinen Ruf endgültig beschädigt. Großkreutz und der VfB Stuttgart haben sich getrennt - vor allem deshalb, weil der Abwehr- und Mittelfeldspieler seine Vorbildfunktion in den Augen der Vereinschefs gravierend verletzt hat. Nach dem Bundesliga-Abstieg mit dem VfB hat der Absturz des Weltmeisters eine neue Dimension erreicht.
Dabei wurde der frühere VfB-Sportvorstand Robin Dutt dafür gefeiert, als er den auch „Fisch“ genannten Großkreutz, der stets den Kontakt zu den Fans sucht und sich mit Herzblut um die Jugend seines Kindheitsvereins VfL Kemminghausen kümmert, Anfang 2016 verpflichtete. Wegen eines Formfehlers war er nach dem Wechsel von Dortmund zu Galatasaray Istanbul 2015 zunächst gesperrt und von Heimweh geplagt. Der VfB holte ihn, als es dort mal wieder kriselte.
Die früheren Vorfälle um Großkreutz interessierten die Stuttgarter damals offenbar wenig. Zum Beispiel der angebliche Dönerwurf 2014 in der Kölner Innenstadt oder die Pinkelaffäre wenig später, als er im Anschluss an das gegen Bayern München verlorene DFB-Pokalfinale in der Lobby eines Berliner Hotels betrunken uriniert haben soll. Zur WM in Brasilien durfte er trotzdem.
Weil er sich während der Rückrunde der vergangenen Saison verletzte, konnte er dem VfB im Tabellenkeller nicht mehr helfen. Hoch angerechnet wurde ihm aber, dass er auch nach dem Abstieg in Stuttgart blieb. „Reicht es nicht, würde ich niemals so den Verein verlassen, sondern es wieder ausbügeln“, sagte er schon zu einem Zeitpunkt, als der Absturz in die 2. Liga noch nicht feststand.
Fußballerisch überzeugen konnte er beim Zweitliga-Tabellenführer in dieser Saison selten. Unter den Fans gibt es aber nicht wenige, die seinen Abgang bedauern. Wegen seiner offenen Art, die er auch in den sozialen Netzwerken pflegt, ist er bei vielen beliebt. Vor der Trennung hat ihn das nicht gerettet. „Ich möchte erst mal mit Fußball nichts mehr zu tun haben“, sagte Großkreutz unter Tränen.