77-Jähriger Carrard leitet FIFA-Reformkommission
Zürich (dpa) - Der frühere IOC-Generaldirektor François Carrard soll als respektierte Persönlichkeit die FIFA-Reformkommission führen und dem skandalumtosten Weltverband Vorschläge zu einer umfassenden Erneuerung machen.
Die Zusammensetzung des insgesamt 15 Personen umfassenden Gremiums wirft allerdings einige Fragen auf - denn gleich mehrere Mitglieder haben eine große Nähe zum FIFA-Establishment und auch zu Noch-Chef Joseph Blatter.
In Scheich Ahmad al-Fahad al-Sabah, Hany Abo Rida und Constant Omari Selemani sitzen auch drei Mitglieder des aktuellen Exekutivkomitees der FIFA in der Kommission, die vom Weltverband plötzlich aber nicht mehr als Task Force bezeichnet wurde. Eben jenes Exekutivkomitee soll in seiner Macht künftig aber beschnitten werden. Der aus Südamerika entsandte Gorka Villar ist der Sohn des spanischen FIFA-Vizepräsidenten Angel Maria Villar Llona - einem engen Vertrauten von Blatter.
Fast wie eine subtile Mahnung zwischen den Zeilen liest sich der zweite Satz des Statements von Carrard in der FIFA-Mitteilung vom Dienstag. „Zu diesem Zweck werde ich ein unabhängiges Beratungsgremium einführen, bestehend aus Vertretern außerhalb der Fußballwelt, die die Arbeit des Komitees unterstützen und einen zusätzlichen Blickwinkel unabhängiger Expertise einbringen.“
Am 26. Februar 2016, dem Tag der Wahl eines neuen FIFA-Chefs beim Kongress in Zürich, soll die Reformkommission einen Maßnahmenkatalog vorlegen. Dieser dürfte sich an Eckpunkten der 2011 von den Fußball-Funktionären beim Kongress abgelehnten Ideen bewegen, wie der Amtszeitbeschränkung für Exekutivmitglieder und den FIFA-Präsidenten. Blatter hatte diese Vorschläge nach seiner Rücktrittsankündigung am 2. Juni im Zuge der massiven Korruptionsermittlungen durch die US-Justiz und Schweizer Behörden propagiert.
Bei der nächsten Sitzung des FIFA-Exekutivkomitees am 24. und 25. September sollen erste Vorschläge präsentiert werden. Die Gründung der Task Force war erst bei der außerordentlichen Exko-Sitzung am 20. Juli beschlossen worden. Zunächst galt Domenico Scala, Chef der FIFA-Audit-Kommission, als möglicher Vorsitzender. Auch auf Druck der FIFA-Sponsoren wurde dann aber nach einem externen Chef gesucht.
Carrard wurde nach Konsultationen der sechs Kontinentalverbände berufen, teilte die FIFA mit. Carrard ist ein Schweizer Topjurist. In seiner Zeit beim Internationalen Olympischen Komitee war er an der Aufarbeitung des Korruptionsskandals um die Vergabe der Winterspiele 2002 an Salt Lake City beteiligt.
Der Task-Force gehören neben Carrard je zwei Vertreter jeder Konföderation und zwei Vertreter der FIFA-Sponsoren an. Aus Europa sind UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino und der Direktor der UEFA-Rechtsabteilung Alasdair Bell dabei. Beide sind enge Zuarbeiter von UEFA-Chef Michel Platini, der als bislang einziger ernstzunehmender Bewerber offiziell seine Kandidatur für die Blatter-Nachfolge angekündigt hat.
Infantino und Bell werden also in der Kommission penibel darauf achten, dass Platinis Interessen berücksichtigt sind. „Die Gründung der Task Force ist ein wichtiger Schritt zur Einführung der dringend benötigten Reformen in der FIFA“, sagte Platini.