Analyse Das große Ziel der Borussia ist Europa

Mönchengladbach. Eigentlich deutete Mitte August nichts darauf hin, dass Borussia Mönchengladbach zum Saisonstart in den Startlöchern sitzen bleibt und „auf die schiefe Bahn“ geraten würde.

Trainer Andre Schubert machte aus dem taumelnden Tabellen-Schlusslicht innerhalb eines Vierteljahres wieder einen Kandidaten für Europas Fußballfelder.

Foto: Marius Becker

Warum auch? Im DFB-Pokal ging es gut los. Zwar war zu Beginn der Partie am Hamburger Millerntor noch Sand im Getriebe, aber als der Schlusspfiff ertönte, herrschte eitel Sonnenschein.

Die Gladbacher zogen mit einem 4:1-Erfolg gegen den starken Zweitligisten FC St. Pauli in die nächste Runde ein. Lucien Favres Murren hielt sich in Grenzen, die ersten Tore des Hannoveraner Zugangs Lars Stindl weckten Hoffnungen. Das war am 10. August vorigen Jahres.

40 Tage später warf Gladbachs Cheftrainer völlig unerwartet das Handtuch. Nach fünf Bundesliga-Niederlagen in Folge und einer Schlappe in der Champions-League war Favre der Überzeugung, nicht mehr der perfekte Trainer für Borussia Mönchengladbach zu sein. „Ich muss ehrlich zu mir sein und meinen Partnern professionell sagen: Es geht um den Verein, um den Mythos Borussia. Ich muss diese Entscheidung für Borussia und die Zukunft treffen“, lautete seine Begründung nach dem abrupten Ende einer wahren Erfolgsgeschichte. Klassenerhalt 2010/2011 — dann Vierter, Achter, Sechster, Dritter.

Es war ein Schlag ins Kontor für Gladbachs Vereinsspitze, die gleichwohl schon tags darauf den Nachfolger präsentierte: André Schubert, bisher für die U 23 in der Regionalliga verantwortlich. Schubert kam, sah und siegte. Der 44-Jährige feierte sensationelle sechs Siege in Folge.

Was zunächst als Intermezzo gedacht war, entpuppte sich als ideale Lösung. Krönung: ein 3:1-Sieg gegen den FC Bayern München, i-Tüpfelchen: das 3:2 gegen Darmstadt 98 am 20. Dezember nach einer heroischen zweiten Hälfte in Unterzahl, Lohn: Rang vier in dieser so unberechenbaren Liga, nach fünf Niederlagen zum Auftakt. Ja, Schubert, der bis dato als Zweitligatrainer in Paderborn und später beim FC St. Pauli zarte Bande im Profifußball geknüpft hatte, avancierte in der Hinrunde zu dem „perfekten Trainer“, den Sportdirektor Max Eberl sich gewünscht hatte.

Denn Schubert machte aus dem taumelnden Tabellen-Schlusslicht innerhalb eines Vierteljahres wieder einen Kandidaten für Europas Fußballfelder. Schuberts Liga-Bilanz: neun Siege, zwei Remis, eine Niederlage, 29 Punkte.

André Schubert hat zweifellos einen intensiven Einstieg in die Fußball-Bundesliga hinter sich. Zwar konnte auch der gebürtige Kasseler nicht verhindern, dass seine Mannschaft sich aus der Champions-League und dem DFB-Pokal verabschiedete, doch die geradezu phänomenale Hinrunde im Fußball-Oberhaus trotz extremen Verletzungspechs gibt Anlass zur Hoffnung, dass schon bald wieder Hymnisches im Borussia-Park erklingt.

Zumal es Max Eberl nach zähen Verhandlungen gelungen ist, in Martin Hinteregger (23) einen frechen, drahtigen und spielstarken Akteur von RB Salzburg loszueisen. Zur Verstärkung der nicht immer sattelfesten Abwehr des VfL. Borussia Mönchengladbach verjüngt sich: Auch die Verpflichtung von Jonas Hofmann von der westfälischen Borussia ist ein überzeugender Deal. Dank seiner Schnelligkeit und Spielanlage dürfte der 23-Jährige eine Bereicherung für Gladbachs Offensive sein.

Mit diesem „Pfund“ im Rücken will Borussia Mönchengladbach ab morgen den Kampf um die internationalen Plätze aufnehmen: Voller Selbstbewusstsein und mit einem Fußball-Lehrer an der Spitze des Trainerstabs, der voller Ideen steckt, natürlich Erfolg anstrebt, aber auch aufs Scheitern vorbereitet ist, einer, der sich immer wieder intensiv mit seinem Team und dessen Möglichkeiten befasst.

André Schubert hat konkrete Vorstellungen von Spielsystemen und Schachzügen auf dem Rasen-Rechteck, führt angeregte Gespräche mit seinen Spielern und tüftelt Neues aus, und das geht in alle Richtungen. Nur wenn Schubert einen freien Tag hat, schaltet er komplett ab. Dann spielt der Fußball in seinem Leben keine Rolle.

„Grundsätzlich ist entscheidend, dass wir als Mannschaft alles abrufen und taktisch flexibel sind“, sagt Schubert, „es kann durchaus sein, dass wir mal mit Dreierkette spielen, dann wieder auf die Vierer-Abwehrreihe zurückgreifen. Möglich ist auch, dass wir mal mit drei Angreifern agieren. Wir müssen halt alles beherrschen.“ Schubert freut sich, dass es jetzt endlich wieder losgeht mit der Jagd nach Punkten.

Schuberts zweiter Satz beginnt. „Ich hoffe, dass wir als Mannschaft einen weiteren Schritt nach vorne machen. Klar ist, dass wir defensiv stabiler werden müssen, darüber hinaus wollen wir unsere Stärken weiterentwickeln und unsere Schwächen möglichst abstellen. Wir werden aber nicht perfekt sein. Wenn überhaupt, sind nur die Bayern perfekt.“