Zu Transfers und Co. Neuer Gladbach-Boss Stegemann: Warum er da ist und was er vorhat

MÖNCHENGLADBACH · Stefan Stegemann ist neuer Geschäftsführer bei Borussia Mönchengladbach – was er zum Traditionsverein, zu Transfers und Co. sagt.

Stefan Stegemann, neuer Finanz-Geschäftsführer von Borussia Mönchengladbach, spricht bei seiner Vorstellung auf der Pressekonferenz.

Foto: dpa/Oliver Berg

Als der Jahrhunderttrainer Hennes Weisweiler gerade dabei war, sich von seiner Fohlenelf zu verabschieden, als Krönung mit einem 5:1-Erfolg bei Twente Enschede den Uefa-Pokal 1975 in Mönchengladbach hinterließ, war Stefan Stegemann Augenzeuge dieses historischen Triumphes. Sein älterer Bruder hatte ihn mitgenommen ins Stadion. Die Stegemanns wohnten rund 60 Kilometer entfernet von Enschede in Rheine und Stegemann bekommt das Lächeln kaum mehr aus dem Gesicht, als er im Presseraum des Borussia-Parks am Dienstag erzählt: „Das war mein erstes Fußballspiel, das ich live in einem Stadion erlebt habe. Seitdem schlägt mein Herz für Borussia.“ Seit sieben Tagen ist Stefan Stegemann nun Vorsitzender der Geschäftsführung von Borussia Mönchengladbach, verantwortet einen Umsatz von rund 200 Millionen Euro in einem Unternehmen mit rund 300 Mitarbeitern und spricht zu rund 20 Menschen, die seine Vorstellungen im neuen Job niederschreiben.

„Als ich gefragt wurde, habe ich eine Woche Bedenkzeit erbeten“

Stegemann sagt: „Wenn mir einer vor einem Jahr gesagt hätte, dass ich das neue Jahr in der Geschäftsführung von Borussia Mönchengladbach beginne, hätte ich ihm gesagt: ‚Du spinnst.‘“ Er empfinde es als große Ehre, diesen Verein weiter zu entwickeln. Stegemann: „Als ich gefragt wurde, habe ich mir eine Woche Bedenkzeit erbeten, ich musste ja auch mit meinem Arbeitgeber reden. Ich war überrascht, gefragt zu werden, bin mit 61 Jahren ja auch kein Frischling mehr.“ Die Entscheidung sei ihm aber umso leichter gefallen, weil ich bei Borussia Menschen kennengelernt habe, die mich beeindruckt haben.“

Stegemann trägt einen hellgrauen Anzug, weiße Turnschuhe, weißes Hemd, weißes Einstecktuch. Er war noch nicht so wirklich oft im Presseraum in den Katakomben des Borussia-Parks. Es ist auch anzunehmen, dass er die stillen Beobachter an der Wand tatsächlich nicht registriert hat. Im Presseraum hängt ein Foto mit Günter Netzer und Berti Vogts, dessen rechte Hand auf die Brust oder zur Raute zeigt. Als wollte er sagen – schaut, was mir wichtig ist, was mir am Herzen liegt. Im Hintergrund des Fotos ist Ulrik le Fevre zu sehen. Das Borussen-Trio trägt gerade nicht einen gelassen, optimistischen Gesichtsausdruck zur Schau. Es strahlt eine Ernsthaftigkeit aus, die so gar nicht zum umjubelten Offensivspiel der Borussia in der 70er Jahren zu passen scheint.

„Die Mannschaft glaubt mehr
an sich, Vertrauen wächst“

Aber es würde Stegemann gefallen: „Borussia war für mich immer eine Herzensangelegenheit.“ Als er seine Tätigkeit bei Sonepar aus Süddeutschland immer mehr nach Düsseldorf verlegt hatte, habe sich vor rund einem Jahrzehnt das Sponsoring mit Borussia entwickelt. Nach dem Tod von Vorstandsmitglied Söllner wurde Stegemann für die Nachfolge gefragt. Als im Sommer Geschäftsführer Stephan Schippers den Klub verließ, fiel die Wahl auf Stegemann. „Ich habe dadurch einen Einblick bekommen, dass man nicht alles, was man in der Wirtschaft kennengelernt hat, auf einen Fußballklub übertragen kann. Im Fußball ist nicht alles planbar, das macht ihn so spannend.“ Aufs und Abs gebe es wie in jedem Unternehmen. Die Entwicklung sei jetzt aber im sportlichen Bereich erkennbar. Stegemann sagt: „Die Mannschaft glaubt mehr an sich, Vertrauen wächst. Wir hatten einen schwierigen Start. Aber es ist zu sehen, dass wir einen Wettkampf der Spieler untereinander im Team haben. Wir geben kein festes Ziel in Form eines Tabellenplatzes aus. Die Entwicklung ist die Aufgabe.“

Bei Transfers von Spielern schaue man darauf, dass diese auch mit dem Herzen bei Borussia seien: „Bindung und Haltung zum Klub sind wichtig“. Mit weniger Geld müsse man genau hinschauen. Zuletzt sei das sehr gut gelungen. Tim Kleindienst sei der beste Beweis dafür. Stegemann sagt: „Wenn man in den Supermarkt geht, muss man genügend Geld in der Tasche haben oder eine Kreditkarte.“ Er und der Klub seien ambitioniert. „Wann der nächste Titel kommt? Am liebsten morgen.“ Aber es benötige Aufbau, ein gesundes Fundament. „Wir haben klare Ziele – aber Entwicklung im Fußball ist auch immer Entwicklung in der Organisation.“ Er bezeichnet sich als Menschenfreund, aber man müsse immer im Blick haben, was wichtig ist. Nicht immer ließen sich harmonische mit kaufmännischen Entscheidungen kombinieren.

„Ich hatte immer Freude, mit Menschen zusammenzuarbeiten“

Stegemann ging nach dem Abitur zur Bundeswehr, schlug die Offizierslaufbahn ein und entschied doch anders, ging in die Wirtschaft. Zehn Jahre war er beim Bund. Mit der Wiedervereinigung 1989 machte er sich selbstständig als Unternehmensberater. Der Vater von drei Kindern sagt: „Ich hatte immer Freude daran, mit Menschen zusammenzuarbeiten.“ Motivation, Führung und Kommunikation sind für ihn wesentliche Bausteine der beruflichen Arbeit. Mit 36 Jahren wurde er Geschäftsführer bei Sonepar, einem Elektrogroßhandel, 1969 von einem Franzosen gegründet. Sonepar war Stegemanns Kunde und suchte einen neuen Geschäftsführer. Die Parallele ist augenfällig. Stegemann, seit 2022 Vorstandsmitglied bei Borussia Mönchengladbach, wechselte als Nachfolger von Schippers als CEO in die Geschäftsführung – als er gefragt wurde.

Fußball gespielt hat er auch, damals in Bayern in der Landesliga, die zweithöchste Amateurklasse. Den Trainerschein habe er auch gemacht. Schnell habe er aber gespürt und versucht, es seinem Vater zu vermitteln: „Ich hatte immer das Gefühl, es eher im Kopf als in den Beinen zu haben. Es hat sich alles in die richtige Richtung entwickelt.“