Hertha auf Platz vier: „Nur Momentaufnahme“
Berlin (dpa) - Hertha-Trainer Jos Luhukay hielt es die letzten fünf Minuten des Spiels gegen seinen Ex-Club Borussia Mönchengladbach nicht mehr auf der Bank aus.
In der Coaching-Zone versuchte er trotz des enormen Lärmpegels durch die über 60 000 Zuschauer im Berliner Olympiastadion seinen Spielern Anweisungen zuzurufen - vergebens. Als Schiedsrichter Jochen Drees dann endlich abpfiff, riss der sonst so zurückhaltende Luhukay jubelnd die Arme in die Höhe. Hertha BSC hatte den knappen 1:0-Vorsprung gegen die Gladbacher über die Zeit gebracht und steht nun nach neun Spieltagen mit 15 Punkten auf Platz vier hinter den Spitzenclubs aus München, Dortmund und Leverkusen.
Für den Aufsteiger aus der Hauptstadt ist dies eine bemerkenswerte Leistung. Das sieht Luhukay genau so. Doch nach seinem kurzen emotionalen Ausbruch kehrte bei dem kleinen Mann mit dem Schnauzbart schnell wieder der Sinn für die Realität ein. „Der Tabellenplatz ist nur eine Phase in der Saison“, sagte der Niederländer, „die Fans und die Stadt sind natürlich euphorisiert, doch wir müssen damit nüchtern umgehen.“
So wie die Spieler diszipliniert die taktischen Anweisungen ihres Trainers in der Partie umsetzten, eiferten sie ihm auch in der unaufgeregten Situations-Analyse nach. „Das ist eine schöne Momentaufnahme, mehr auch nicht“, sagten die Akteure unisono. Für Torwart Thomas Kraft, der die wenigen Chancen der Gäste vom Niederrhein zunichtemachte, sind die drei hinzugekommenen Zähler „wichtig für den Klassenerhalt. Nur darum geht es für uns“. Innenverteidiger Sebastian Langkamp sieht es ähnlich. „Wir haben das Polster auf die Mannschaften, die unten stehen, weiter aufgebaut.“
Der Ex-Gladbacher Johannes van den Bergh reagierte mit Humor auf Herthas imposante Tabellen-Platzierung. „Unsere Fans sollen sich die Tabelle ausschneiden und allen Kollegen im Büro zeigen“, meinte der Außenverteidiger. Überheblichkeit wäre für den Aufsteiger auch nicht ratsam. In den kommenden vier Partien treffen die Hauptstädter auf die drei Top-Teams FC Bayern, Schalke 04 und Bayer Leverkusen. Das Spiel beim Triple-Sieger aus München steht am nächsten Wochenende an. „Am besten laufen wir mit drei Torhütern auf“, bemerkte Langkamp schmunzelnd. Man dürfe nicht den Fahler machen, „dort vogelwild anzurennen. Dort spielen die besten Spieler der Welt in der besten Mannschaft der Welt.“
Für Langkamp wäre ein Punkt beim Meister bereits etwas Außergewöhnliches. Nach Herthas viertem Heimsieg durch das Kopfball-Tor von Adrian Ramos (37.) fährt Trainer Luhukay immerhin mit einem „positiven Gefühl nach München“, wie er sagte. Mit großer Zufriedenheit hatte der 50-Jährige dieses Mal die defensive Qualität seines sonst so offensivstarken Teams registriert. „Das ist hinsichtlich der kommenden Aufgaben wichtig“, ergänzte Luhukay, der das mit großer Spannung erwartete Bruder-Duell zwischen seinem Spieler Ronny und dem Ex-Herthaner Raffael verhindert hatte - Spielgestalter Ronny schmorte 90 Minuten auf der Bank. „Es zählt nicht das Interesse des Einzelnen, sondern das des Teams. Und das hat heute eine hervorragende Leistung gezeigt“, betonte der Coach.
Das räumte auch sein Kollege auf der Gegenseite ein. „Hertha ist sehr gut organisiert und sehr schwer zu schlagen“, lobte Lucien Favre das Team seines früheren Vereins. Zu gern hätte der Schweizer in Berlin den ersten Auswärtssieg der Saison bejubelt.