Interview: Martin Stranzl - „Die Fans waren überragend“
Gladbachs Verteidiger Martin Stranzl spricht über die Rettung des Vereins, seine Zukunft und Trainer Lucien Favre.
Statt Malediven oder Sardinien machen Sie lieber Urlaub in Ihrem Geburtsort Urbersdorf. Sind Sie ein Familienmensch?
Stranzl: Absolut. Ich habe in diesem Örtchen mit 240 Einwohnern ein Haus gebaut, viele Freunde wohnen in der Nähe. Mit meiner Frau und meinen beiden Kindern genieße ich die Zeit im Burgenland.
Haben Sie sich schon etwas erholt, nach dem packenden Saisonfinale mit dem Klassenerhalt?
Stranzl: Die Erholung fängt erst an. Ich hatte mir direkt nach der Relegation eine Kehlkopfentzündung eingefangen und mit Fieber im Bett gelegen.
Steckt Ihnen der Abstiegskampf noch in den Knochen?
Stranzl: Auf alle Fälle. Dieser enorme Druck ist eine große psychische Belastung. Das geht auch körperlich an die Substanz. Jetzt mit ein paar Tagen Abstand und Ruhe merkt man das erst richtig.
Der „Kicker“ hat Sie zu einem der besten Innenverteidiger der Bundesliga gekürt. Sie haben einen großen Anteil am Wunder Klassenerhalt. Sind Sie stolz darauf?
Stranzl: Natürlich freue ich mich über die Auszeichnung. Aber als einzelner Spieler kann man nichts erreichen, dann bewegst du auch nichts. Solche Leistungen gehen nur, wenn die anderen mitmachen. Für mich zählt jetzt, dies in der neuen Saison zu bestätigen.
Fühlen Sie sich eigentlich rundum wohl bei Borussia?
Stranzl: Dass es so ideal in Gladbach für mich bislang gelaufen ist, kann man vorher nie wissen. Aber ich hatte bei meinem Wechsel im Winter aus Moskau ein gutes Gefühl. Es hat alles gepasst. Auch die Familie fühlt sich wohl. Das ist für mich ganz wichtig, so kann ich mich voll auf Fußball konzentrieren. Man ist schnell in Düsseldorf, unser Sohn geht gerne in den Kindergarten.
Was ist ihr Erfolgsgeheimnis?
Stranzl: Ich bin ein umgänglicher Typ und brauche keine große Eingewöhnungszeit.
Sind sie der Chef auf dem Platz?
Stranzl: Natürlich spreche ich gewisse Dinge an. Ich versuche Lösungen zu finden, daher ist Reden wichtig. Ich würde aber nie schlecht über einen anderen Spieler reden. Ich denke, das kommt gut an in der Mannschaft. Der Verein hat mich als Führungsspieler geholt. Diesen Status muss man sich aber auch durch Leistung erarbeiten.
Wie konnte Gladbach die Rettung noch schaffen?
Stranzl: Wir haben uns das hart erarbeitet. Der Trainer hat viele Dinge gemacht, die uns in Fleisch und Blut übergegangen sind. Die ganze Mannschaft hat mitgezogen. Es gibt keine Stinkstiefel bei uns, deshalb hat es geklappt.
Geht Borussia gestärkt aus dieser Zitter-Saison hervor?
Stranzl: Wenn man solch einem Druck standgehalten hat, dann geht man mental gestärkt daraus hervor. Da haben alle einen großen Schritt gemacht. Die Frage ist, wie man das umsetzt. Das Ziel jeder Mannschaft zum Start der Bundesliga ist Meister zu werden. Du willst den Titel holen, unabhängig von der Qualität. Was am Ende dabei herauskommt ist die andere Sache. Ob man dann zufrieden ist, wird sich zeigen.
Was darf man Gladbach denn zutrauen?
Stranzl: Ich hoffe, dass wir nicht mehr so viele Ausreißer drin haben. Wir müssen Stabilität reinkriegen und wollen einen Schritt nach vorne machen. Über die Tabelle will ich gar nicht erst spekulieren. Es werden Rückschläge kommen, und dann wird sich zeigen, was wir aus der vergangenen Saison gelernt haben.
Mit Dante bilden sie ein starkes Verteidiger-Duo. Doch der will angeblich weg . . .
Stranzl: Ich gehe nicht davon aus, dass Dante geht. Ich weiß, dass er sich Gedanken macht. Champions League, ein großer Klub — jeder hat das Recht, hohe Ziele zu haben. Er wird sich bei seiner Vertragsverlängerung vor einem Jahr aber was gedacht haben.
Was fällt dem Österreicher Stranzl zum Schweizer Lucien Favre ein?
Stranzl: Der Trainer ist ein sehr akribischer Arbeiter, beachtet sehr viele Details. Er ist sehr kommunikativ, hat ab und zu auch mal einen lockeren Spruch drauf und bringt die Spieler so zum Lachen. Das kommt gut an in der Mannschaft. Er kann aber auch sehr energisch sein.
Sie haben schon einiges mitgemacht in ihrer Karriere. Was hat Sie in Gladbach beeindruckt?
Stranzl: Die Fans! So etwas habe ich noch nicht erlebt. Das war überragend. Die Fans hatten ein richtiges Gespür dafür, wie und wann sie uns helfen konnten und haben uns unheimlich nach vorne getragen. Es war sensationell, was da in der Relegation abgegangen ist, unser Stadion hat gebebt. Für so etwas lebt und arbeitet man als Profi-Sportler.
Wie weh tut es Ihnen, wenn Sie Österreich gegen Deutschland verlieren sehen?
Stranzl: Sehr, denn ich bin Patriot. Aber ich spiele nie wieder für mein Land. Egal, wie der Trainer oder Verbandspräsident auch heißen mag. Da sind Dinge passiert, die ich nicht akzeptieren kann. Ich habe einen Schlussstrich gezogen.