Max Eberl im Interview: „Die Qualität des Kaders ist gewachsen“

Sportdirektor Max Eberl bezieht Stellung zu den Diskussionen in der Sommerpause über die Transferpolitik und warnt die zum Verkauf stehenden Spieler eindringlich.

WZ: Das erste Pflichtspiel im DFB-Pokal gegen Jahn Regensburg war erfolgreich. Sind Sie zufrieden mit dem Auftakt?

Max Eberl: Das ganze Pokal-Wochenende hat gezeigt: Ein Sieg ist in dem Wettbewerb nicht mehr so leicht, wie es früher einmal war. Man kommt nicht mehr als Erstligist irgendwo an und spielt den Gegner an die Wand, feiert einen 8:0-Kantersieg und fährt wieder nach Hause. Ich fand es sehr überzeugend, wie wir in Regensburg gespielt und gewonnen haben. Dass im ersten Spiel nicht alles perfekt läuft, ist klar.

WZ: Der Gegentreffer fiel über die rechte Abwehrseite, die bisher nicht als Problemzone galt.

Eberl: Noch einmal: Wie wir das Spiel gespielt haben, gerade auch in der Defensive, das war ordentlich. Wen man gegen Regensburg keine Torchance zulässt und sie durch einen Elfmeter ein Tor machen, dann kann es defensiv nicht so schlecht gewesen sein.

WZ: Trainer Lucien Favre hat nach dem Saisonende gesagt, ihm hat das Spiel nach vorne nicht immer gefallen. Auch in der Vorbereitung gab es Spiele, in denen sich das Team schwer getan hat mit dem Toreschießen. Wie soll das Problem behoben werden?

Eberl: Die Zugänge Mathew Leckie, Joshua King, Yuki Otsu und Rückkehrer Raul Bobadilla sind Offensivspieler. Wer sagt, wir hätten bei den Transfers nur Wert gelegt auf die Defensive, liegt falsch.

WZ: Trotzdem fehlt dem ein oder anderen ein echter Kracher für vorne, der der Mannschaft sofort hilft. Im Sommer hieß es mehrfach, dafür fehlt das Geld.

Eberl: Der Schwerpunkt unserer diesjährigen Transferpolitik war ganz klar darauf ausgerichtet, unseren Kader zusammen zu halten. Es wäre kein Problem gewesen, Dante und Reus zu verkaufen und mit 20 Millionen Euro Top-Transfers zu tätigen. Aber was ist überhaupt ein Top-Transfer? Bayern München verpflichtet Mario Gomez für 35 Millionen und im ersten Jahr ist er kein Stammspieler. Ist das dann ein Top-Transfer und er spielt überhaupt nicht? Wir haben eine andere Richtung eingeschlagen. Wir wollten keinen Stammspieler abgeben, das ist uns gelungen. Dementsprechend stehen keine Millionen-Beträge zur Verfügung, um Neuverpflichtungen zu tätigen. Aber ist nicht ein schwedischer Nationalspieler (Eberl meint Oscar Wendt, d.Red.) ein guter Transfer, der dem Kader weiterhilft? Leckie, Rupp, Zimmermann, King und Otsu sind alle Junioren-Nationalspieler ihres Landes. Das heißt für mich, die Qualität im Kader ist gewachsen.

WZ: Gegen Regensburg stand nur Lukas Rupp in der Startelf.

Eberl: Zweiter Schritt der Transferpolitik war, dass wir den Konkurrenzkampf stärken wollten. Ob dann einer von Anfang an Stammspieler ist oder wie Marco Reus vor zwei Jahren nach drei Monaten Stammspieler ist, das ist eine Entwicklung, die wir nun abwarten müssen. Alles nur an Transfers aufzuhängen, ob der Kader besser oder schlechter geworden ist, halte ich für gefährlich. Viele Klubs in der Bundesliga waren sehr zurückhaltend bei den Transfers. Die finanziellen Möglichkeiten der Vereine, Bayern München ausgenommen, sind andere geworden. Top-Transfers mit viel Geld sind nicht mehr so möglich wie in den Vorjahren. Mainz zum Beispiel verliert Schürrle, Holtby und Fuchs. Das ist vergleichbar, als wenn wir ter Stegen, Reus und Dante verlieren würden. Wenn wir dann keinen Kracher verpflichten würden, wäre die Kritik berechtigt. Mainz hat als Ersatz Pospech, Choupo-Moting, Stieber und Müller geholt. Das hätten sie nicht gemacht, wenn sie die drei Topspieler nicht verloren hätten.

WZ: Lucien Favre ist vom „Kicker“ zum drittbesten Trainer der Saison gewählt worden. Was macht ihn aus?

Eberl: Wir wussten, dass wir in den Spielen Kleinigkeiten falsch gemacht haben, die letztlich mit großer Wirkung versehen waren. Wir wussten, dass Lucien ein akribischer Arbeiter ist, der ein sehr aufs Detail achtender Trainer ist, der sehr gut mit jungen Spielern umgehen kann. So kam es dann auch. Er hat fortgesetzt, was durch die Neuverpflichtungen im Winter und das Zurückkommen der verletzten Spieler möglich war. Er hat die Struktur der Mannschaft vertieft. Dadurch haben wir weniger Gegentore bekommen und es haben wenige eigene Tore zum Sieg gereicht. Denn eigene Tore haben wir immer gemacht, haben aber meistens zu viele bekommen.

WZ: Favre hat Tobias Levels, Mo Idrissou und Michael Bradley mitgeteilt, dass er nicht auf sie baut. Können sie nicht zum Problem werden und für Unruhe sorgen?

Eberl: Wir haben Tobias Levels und Mo Idrissou bereits kurz nach Saisonende gesagt, dass die Konkurrenz auf ihren Positionen groß sein wird und ihre Einsatzzeiten wahrscheinlich gegen null tendieren werden. Das war ehrlich und offen. Wenn die Spieler sich dafür entscheiden, den Verein nicht zu verlassen, darf keine Unzufriedenheit und Traurigkeit da sein, Sie tun es ja sehenden Auges. Bei Michael Bradley ist die Situation etwas anders. Der Junge wollte den Verein in einer prekären Situation im Winter verlassen, in der wir den ganzen Fokus auf den Klassenerhalt hätten richten müssen. Im Mai hat Michael uns gesagt, England wird auf jeden Fall funktionieren. Es hat nicht funktioniert. Jetzt zurückzukommen und zu sagen: Gladbach, alles in Ordnung, mein Verein — das ist nicht ganz so einfach. Dass er sich hinten anzustellen hat und abwarten muss, ist klar.

WZ: Könnte die gute Copa América für Juan Arango etwas an seiner Situation bei Borussia verändern?

Eberl: Nein, keine Sekunde. Juan hat bei uns Vertrag und fühlt sich bei uns wohl. Er ist ein wichtiger Spieler für uns.

WZ: Was haben der Verein und Sie aus der Mitgliederversammlung und der Diskussion gelernt?

Eberl: Ruhe bewahren, an das glauben, von dem man überzeugt ist und daran arbeiten, sich nicht durch Störenfriede und Störfeuer von außen beunruhigenlassen. Man muss Entscheidungen, die man aus der Logik heraus getroffen hat, vertrauen. Natürlich gab es Fehler, zum Beispiel die zu jungen Spieler als Reserve in der Innenverteidigung (Eberl meint Bamba Anderson und Bernhard Janeczek, d. Red.) oder Dante zu früh eingesetzt zu haben nach seiner Verletzung.

WZ: Die Euphorie bei den Fans ist angesichts von 27 500 verkauften Dauerkarten groß. Der „Stern“ hat Borussia sogar auf Platz 6 getippt. Fällt es einem manchmal schwer, die Euphorie zu bremsen?

Eberl: Ich habe bereits auf der Mitgliederversammlung gesagt: Die Leute müssen die Realität einschätzen. Wir haben sehr klar gesagt, was Borussia kann und was nicht. Wir können keinen Kracher für viel Geld verpflichten, wie viele andere Vereine auch nicht. Ich hatte in der vergangenen Woche zwei Treffen mit Fan-Klubs und dem Fanprojekt-Vorstand. Die Fans beschäftigen sich mit der Materie sehr intensiv. Sie tragen mit, was wir vorhaben: Schritt für Schritt weiterzukommen, auch wenn es mühsam ist und einigen nicht schnell genug geht.

WZ: Mit Blick auf das erste Saisonspiel gegen Bayern München: Kann es ein Vorteil sein für die Borussia, dass die Mannschaft eingespielt ist und der Gegner offenbar nicht?

Eberl: Natürlich ist es ein Vorteil, wenn eine Mannschaft unverändert ist. Das hat man bei Hannover gesehen, wo die Automatismen da sind. Die Bayern haben gestandene Spieler wie Neuer, Rafinha, Boateng verpflichtet, für sie dürfte es kein Problem sein, sich reinzufinden. Außerdem gibt es genügend Spieler, die seit Jahren in München spielen. Bayern hat extrem hohe Ansprüche, den ständigen Druck, dominant und überragend gewinnen zu müssen. Das kann aber kein Team der Welt mehr, dafür ist die Dichte zu groß geworden, Barcelona aktuell ausgenommen.