Pokalfinale vor 40 Jahren: „Ich spiel’ dann jetzt“
Es ist bis heute einmalig im deutschen Fußball: Gladbachers genialer Spielmacher Günter Netzer wechselt sich selbst ein und entscheidet das Pokalfinale gegen Köln — vor 40 Jahren.
Düsseldorf. Der Wechsel von Günter Netzer zu Real Madrid in die Primera Division stand seit ein paar Tagen fest. Jetzt fehlte noch der krönende Abschluss bei der Borussia, mit denen Netzer, gerade 20-jährig, anno 1965 in die Bundesliga aufgestiegen war.
Für den gebürtigen Mönchengladbacher aber gab es am Tag des DFB-Pokalfinales vor 40 Jahren zunächst keinen Platz im Team. Ehe seine Stunde doch noch schlug und er den Gladbachern zum Abschied durch ein Traumtor den 2:1-Pokalsieg gegen den 1. FC Köln bescherte, verging eine halbe Ewigkeit.
Hennes Weisweiler hatte an jenem 23. Juni 1973 seinen Spielmacher und Strategen wegen mangelnder Fitness erst einmal auf die Bank gesetzt und stattdessen Christian Kulik in die erste Elf befördert. Bei einem Spaziergang am Spieltag informierte er Netzter darüber. „Das finde ich ganz schön mutig von Ihnen“, entgegnete Netzer seinem Trainer.
Im tiefsten Inneren, so gestand Netzer erst kürzlich bei Markus Lanz in einem Interview, „musste ich mir eingestehen, dass er richtig entschieden hatte“. Als der Trainer in der Halbzeitpause — fast ein wenig verschämt — nun doch auf Netzers Einwechslung drängte, lehnte dieser, manchmal starrköpfig wie sein Trainer selbst, allerdings kaltlächelnd ab.
Sollte Netzers Laufbahn in seiner Heimatstadt so enden? Auf der Bank? Nein, Netzers einzigartiger Moment — welch glückliche Fügung — sollte noch kommen. Denn nach der regulären Spielzeit im Düsseldorfer Rheinstadion hatte es bei glühender Hitze keinen Sieger gegeben.
Kurz vor Beginn der Verlängerung (1:1 nach 90 Minuten) drehte Günter Netzer selbst an der Uhr. Als er sah, dass der völlig erschöpfte Mannschaftskamerad Kulik nach Luft japste und ihm ein Zeichen zur Aufgabe gab, reagierte der „Lange“ prompt. Er zog seine Trainingsjacke aus, ging auf Weisweiler zu und sagte nur lakonisch: „Ich spiel’ dann jetzt.“
Kulik war erlöst, und Netzer bereitete wenig später, „aus der Tiefe des Raumes“ kommend, den alles entscheidenden Spielzug der Begegnung vor — und sorgte obendrein für den Knalleffekt. Aus dem famosen Doppelpass mit Rainer Bonhof resultierte schließlich der krachende Abschluss Netzers — das Siegtor in der 94. Minute.
„Das war einer der genialsten Momente meiner Karriere. Die Vorlage passte, und Günter drosch den Ball mit seinem linken Fuß und etwas Glück aus rund 14 Metern mit voller Wucht in den Winkel“, erinnert sich Bonhof, „es war ein Spiel, das zum Meilenstein der Vereinsgeschichte von Borussia Mönchengladbach wurde. Es war mythenbildend, auch für den deutschen Fußball.“
Kulik sagte jüngst in einem Interview über Günter Netzer: „Er hat sich mir gegenüber immer sehr kameradschaftlich verhalten. Manchmal bin ich auch bei ihm im Auto mitgefahren. Günter hat nie den großen Star raushängen lassen.“