Spielanalyse Gladbach kann von der Herbstmeisterschaft träumen

Mönchengladbach · Borussia Mönchengladbach ist und bleibt Tabellenführer der Fußball-Bundesliga. Die Elf vom Niederrhein setzte sich am 14. Spieltag im Liga-Klassiker gegen Rekordmeister FC Bayern München vor heimischer Kulisse trotz eines 0:1-Rückstandes am Ende mit 2:1 durch – und versetzte so eine ganze Region in einen Jubelrausch.

Foto: dpa/Marius Becker

Erstmals seit 42 Jahren ist der VfL so lange ununterbrochen (acht Mal) an der Tabellenspitze. Das Gladbacher-Publikum feierte die Spitzenreiter-Borussia minutenlang mit Sprechchören. Dabei hatte es rund eine Stunde lang nicht so ausgesehen, als könnten die Fohlen dem Superstar-Ensemble von der Isar gefährlich werden. Die Münchner ließen sich allerdings nach der hochverdienten Führung im zweiten Durchgang durch Perisic von kämpfenden Borussen die Butter vom Brot nehmen. Gladbachs Verteidiger Bensebaini war es dann, der per Kopfballtreffer und verwandeltem Foulelfmeter (in der Nachspielzeit) die Partie noch drehte. Folge: Eine ganze Region, mitten im Rheinland, träumt nun von der Herbstmeisterschaft.

Der Spieler des Spiels: Der heißt Ramy Bensebaini. Der Algerier, der im vergangenen Sommer Afrika-Cup-Gewinner wurde, ehe VfL-Manager Max Eberl ihn an den Niederrhein holte, avancierte im Borussia-Park gegen Rekordmeister Bayern München zum Matchwinner. Erst einmal hatte er allerdings große Probleme mit Gegenspieler Coman. Die bekam er nach rund 55-minütigem Anlauf in den Griff. Und wie: Zunächst traf der Algerier per Kopfball zum 1:1-Ausgleich. Es folgte eine Elfer-Aktion. Nach einem Foul von Bayerns Martinez gegen Thuram gab es in der Nachspielzeit nicht eine Rote Karte für den Bayern-Verteidiger, es hieß auch Strafstoß für die Fohlen. Die Anweisung von der Gladbacher Bank kam: Es schießt Ramy Bensebaini! Und zwar von Ersatzkeeper Tobi Sippel, weil Bensebaini zunächst in der Hektik vergessen hatte, dass er als Schütze zur Wahl stand. Der Algerier hatte sich bereits mehrfach im Training als Scharfschütze vom Elfmeterpunkt entpuppt. Borussias Schlussmann Sommer verriet: „Als Ramy sich die Kugel geschnappt hatte, war ich mir sicher, dass der Ball reingeht. Er ist ziemlich abgezockt und hat mir schon in einigen Einheiten den Ball vom Elfmeterpunkt um die Ohren gehauen.“ Bensebaini: „Der Druck war da, ich habe mir einfach gesagt, mache es wie im Training.“

Der Moment des Spiels: Der ereignete sich nach dem Spiel. Die Fans der Gladbacher Borussia feierten ihre Lederhosenauszieher. Mit „Oh, wie ist das schön“-Gesängen sorgten Abertausende für Gänsehaut-Atmosphäre. Die Fans huldigen den niederrheinischen Gipfelstürmern. Gladbach erlebt einen Jubelrausch gegen die Bayern wie schon lange nicht mehr.

Der Aufreger zum Spiel: Der ereignete sich nach dem Schlusspfiff. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Weil eine Vielzahl von Fußball-Fans so etwas gar nicht leiden können. Wenn sie am „heiligen Fußball-Samstag“ VOR der ARD-Sportschau oder noch später, im ZDF-Sportstudio, ohne Not, die Ergebnisse in der Beletage erfahren. Schließlich soll der Spannungsbogen erst beim Betrachten der Zusammenfassung im sogenannten Free-TV aufgelöst werden. Nun hatte ausgerechnet die Sportschau zig Fans am frühen Samstagabend verärgert. Und das vor dem Bericht zum Liga-Super-Klassiker Borussia Mönchengladbach gegen den FC Bayern München. Weil Moderator Matthias Opdenhövel (49), ohne es zu wissen, einem Millionen-Publikum vor Ausstrahlung der MAZ bereits das Ergebnis verraten hatte. Weil dessen Studio-Mikro nicht ausgestellt war. Die Sportschau-Redaktion bekannte sich allerdings prompt zu dem Lapsus. Noch während der Sendung entschuldigte sich die Redaktion (die Sendung wird im Kölner WDR produziert) via soziale Medien (Twitter) beim GEZ-Publikum. Nach der Ausstrahlung meldete sich auch Moderator Opdenhövel selbst zu Wort. Dumm gelaufen, souverän reagiert kann man da wohl nur sagen.

Die Chronologie zum Spiel:

Gladbachs Trainer Marco Rose hatte seine Elf zunächst im Vergleich zum Freiburg-Spiel auf vier Positionen umgebaut. Für Jantschke, Neuhaus, Herrmann und Embolo (alle Bank) rückten Ginter, Hofmann, Stindl und Plea in die Startelf. Der erste Durchgang gehörte dennoch klar den Bayern. Die Münchener nahm von Beginn das Zepter in die Hand, schnürten die Fohlen in deren Hälfte ein und erspielten sich Torchance um Torchance. Bereits nach wenigen Minuten hätte die Kugel im Gladbacher Netz zappeln können, doch Müller verzog knapp. Weiter die Bayern. Sturmlauf. Lewandowski kam zum Abschluss, sein Schuss sauste haarscharf am langen Pfosten vorbei. Die Fohlen wirkten wie gelähmt, so auch, als Thiago mit einem einfachen Freistoß-Lupfer alle düpierte, Lewandowski sich die Ecke aussuchen konnte, jedoch nicht traf. Die Bayern ließen Chance auf Chance liegen. Und es ging weiter: Müller nahm Maß, Borussias Schlussmann Sommer parierte stark und verhinderte den Rückstand. Kurz darauf stand erneut Sommer im Mittelpunkt. Einen abgefälschten Schuss von Kimmich konnte der Schweizer Nationalspieler zunächst nicht festhalten, der Ball flutschte durch, Sommer reagierte blitzschnell und kratzte das Ding vor der letzten Umdrehung auf der Linie raus. War das knapp. Die Torlinientechnik zeigte: Es fehlten nur Millimeter bis zur Münchner Führung, ein lautes Raunen ging durchs Stadion. Die rot-weiße Machtdemonstration ging weiter: Perisic zog aus wenigen Metern ab – drüber. Und Gladbach? Hatte kurz vor der Pause den ersten Kontakt mit dem Münchner Tor, doch Neuer packte bei Pleas Distanzschuss sicher zu. Halbzeit, nach der die Bayern-Show gleich weiterging: Müller bediente Perisic, der knallte aus der Drehung humorlos drauf, Sommer war zwar dran, konnte den Einschlag jedoch nicht mehr verhindern, 1:0 für die Münchner. Aber: Der Rückstand wirkte wie ein Weckruf bei den Gastgebern, die plötzlich selber Druck machten. Und prompt mit dem Ausgleich belohnt wurden. Nach einer Ecke von Hofmann stand Bensebaini ganz blank und köpfte ungehindert zum 1:1-Ausgleich ein. Der Borussia-Park wachte auf, nächste Chance Gladbach, der Kopfball des eingewechselten Herrmann rauschte jedoch über das FCB-Gehäuse. Noch mal die Fohlen. Embolo schnappte sich das Spielgerät, Pass auf Herrmann, der bediente Stindl, doch der traf nicht, sein Geschoss mit der Innenseite flog am langen Pfosten vorbei. Die Bayern kamen zurück, Zakaria und Sommer bremsten gemeinsam Kimmich aus, das war knapp. Es ging hin und her, Gladbach warf noch mal alles rein. Konter, Pass auf Thuram, der drohte im Strafraum durchzubrechen, Martinez rauschte heran, machte die Sense, Schiedsrichter Marco Fritz entschied in der Nachspielzeit auf Elfmeter und Rot für Martinez. Bensebaini trat gegen Neuer an – und behielt die Nerven, vollstreckte ins untere Eck zum 2:1. Gladbach besiegte Bayern.

Die Trainer-Stimmen zum Spiel:

Hansi Flick (Bayern München): „In der ersten Halbzeit haben wir gut Fußball gespielt und viele Torchancen herausgespielt. Es ist ärgerlich, dass wir diese Chancen nicht reingemacht haben. Die Mannschaft hat die Qualität, um Tore zu erzielen, setzt sie im Moment nur leider nicht um. Denn dadurch haben wir Gladbach ins Spiel kommen lassen. Normalerweise hätten wir die Sache früher klarmachen können. Über 60 Minuten waren wir die bessere Mannschaft. Nach dem Gegentor haben die Gladbacher aber gezeigt, warum sie ganz vorne stehen und dass sie Power im Spiel haben. Wir haben dann aufgehört Fußball zu spielen. Wir haben nicht mehr so viel Ballbesitz gehabt und klare Bälle gespielt. Dass man am Ende dann durch einen Elfmeter 1:2 verliert, ist unheimlich ärgerlich.“

Marco Rose (Borussia Mönchengladbach): Es war ein unglaublich schwieriges Spiel. Zum Glück hat ein Spiel zwei Halbzeiten. Denn der erste Durchgang ging ganz klar an die Bayern, es waren zu wenig Zutrauen und Mut im Spiel unsererseits. Wir haben zu viele Chancen zugelassen. Das Gegentor nach der Pause war dann aber der endgültige Weckruf für uns. Wir dann ein sehr offenes Spiel daraus gemacht und gut dagegengehalten. Über einen Standard haben wir das 1:1 gemacht und sind dann so gefährlich geworden, wie wir uns das vorher vorgestellt hatten. Das Ergebnis zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Wir sind bereit, über 90 Minuten an uns zu glauben. Aber wir hätten auch einfach von vornherein so mutig und aktiv auftreten können wie in der zweiten Halbzeit. Wir müssen Konstanz reinbekommen. Das Spiel sollte Ramy Selbstvertrauen geben. Als Linksverteidiger zwei Tore gegen die Bayern zu machen, ist außergewöhnlich. Es freut mich für ihn sehr. Am Ende war es aber wieder eine sehr geschlossene Mannschaftsleistung.“