Hamburger SV Abstieg mit Anlauf — Tschüss, HSV
Ein letztes erstklassiges Spiel gegen Gladbach kann den Sturz in die 2. Liga nicht verhindern. Er ist die Folge eines schleichenden Prozesses.
Hamburg. Das Wunder blieb diesmal aus: Mit einem Wechselbad der Gefühle endete am Samstag um 17.35 Uhr die Ära des Hamburger SV in der Bundesliga. Erst Freude, dann Entsetzen, Trauer, Tränen und am Ende Randale. Der HSV hatte in seinem letzten erstklassigen Spiel erstklassig gespielt, am Ende reichte es nicht mehr zum erhofften Klassenerhalt in letzter Minute.
Als Schiedsrichter Felix Brych nach einer durch Rauchbomben und Böller verursachten Spielunterbrechung den letzten Pfiff ansetzte, dauerte es einige Sekunden, bis aufmunternder Beifall von den 57 000 Zuschauern im ausverkauften Stadion zu hören war. Nach 55 Jahren in der Bundesliga muss der HSV erstmals absteigen. Auf dem Platz nahmen sich die Spieler in die Arme, viele heulten ebenso wie auf den Rängen die Fans. Es hatte nicht gereicht, obwohl der HSV in seinem spielerisch besten Saisonspiel 2:1 gegen Gladbach gewonnen hatte. Dass wenige Minuten vor Schluss rund 100 Chaoten dem HSV den stilvollen Abgang in die 2. Liga vermasselten, gehört zu den bitteren Ereignissen dieses Tages in Hamburg.
Uwe Seeler
„Tränen nützen jetzt auch nichts“, sagte ein niedergeschlagener Uwe Seeler (81) im Kabinengang. „Das ist einer der bittersten Momente in meinem Leben“, bekannte die HSV-Legende, während nur wenige Meter entfernt HSV-Trainer Christian Titz in einem TV-Interview sehr gefasst den ersten Abstieg kommentierte. Er habe seinen Spielern gesagt, dass er „stolz“ auf sie sei, berichtete der Trainer später über die gespaltene Gefühlswelt in Hamburg. „Stolz“ auf den guten Auftritt, weil sich die Mannschaft „würdevoll und vernünftig“ verabschiedet habe.
Der HSV ist allerdings nicht an diesem 34. Spieltag abgestiegen. Der Abstieg ist nur die Konsequenz eines schleichenden Prozesses, der vor gut acht Jahren begann, als sich das bis dahin erfolgreiche Duo Bernd Hoffmann (Vorstandschef) und Dietmar Beiersdorf (Sportdirektor) wegen persönlicher Eitelkeiten zerstritt. Seither hat der HSV sein Potenzial und Kapital schleichend vernichtet. Acht Trainer (Fink, Marwijk, Slomka, Zinnbauer, Labbadia, Gisdol, Hollerbach, Titz) versuchten und versuchen seit viereinhalb Jahren den HSV in die Erfolgsspur zu bringen, die Interimslösungen Cardoso und Knäbel nicht mitgerechnet. Frank Arnesen, Oliver Kreuzer, Peter Knäbel, Jens Todt durften sich in dieser Zeit als Sportdirektoren austoben.
Meist hatten sie eigene Philosophien, eigene Ideen und wenig Zutrauen zur Arbeit ihrer Vorgänger. Und dazu sonnten sich im HSV-Aufsichtsrat meist eitle Typen, die statt kluger Entscheidungen lieber ihre Machtspiele und Kungeleien den Boulevard-Journalisten steckten, die genüsslich ihr Süppchen kochten. Fehlende Kompetenz und mangelnde Kontinuität — das konnte auf Dauer nicht gut gehen.
Uwe Seeler
„Die Enttäuschung ist riesengroß, es tut mir für den Verein, die Fans und die Mitarbeiter unglaublich leid“, sagte Kyriakos Papadopoulos im Kabinengang nach dem letzten Spiel mit Tränen in den Augen. Neben ihm weinte Tatsuya Ito hemmungslos, Aaron Hunt sprach mit Tränen in den Augen von einem „ganz bitteren Augenblick“. Einer blickte derweil schon weiter: Kapitän Gotoku Sakai setzte unmittelbar nach dem Schlusspfiff das erste positive Zeichen: „Ich habe für mich entschieden, hier zu verlängern und in der 2. Liga zu spielen.“ Wie Papadopoulos, der das auch zu Protokoll gab. Wobei völlig offen ist, wer sonst mithelfen darf, den Wiederaufstieg zu schaffen.
Eine spannende Frage ist die Zukunft von Jann-Fiete Arp, das hoch gehandelte Talent soll im Fokus etlicher Bundesligisten stehen. Andererseits gehört Christian Titz zu seinen größten Förderern. Bleibt Titz, bleibt auch Arp, diese Formel ist im Umfeld der Hamburger immer wieder zu hören. Und Titz wird in diesen Tagen einen neuen Vertrag bekommen. Einer wird sein Wirken weiterhin aufmerksam verfolgen: „Natürlich schaue ich mir den HSV in der 2. Liga an“, kündigte Uwe Seeler an.