Nach Wechselbekanntgabe Ärger und Gerüchte: Kovac bekommt Bayern-Bühne zu spüren
Leverkusen (dpa) - Die Vereins-Bosse streiten sich öffentlich, die enttäuschten Fans bezeichnen ihn als „Baron Münch(en)hausen“ und an den Stammtischen im TV wird energisch über seine Glaubwürdigkeit gestritten.
Schon in den ersten Stunden nach der Bekanntgabe seines Wechsels von Eintracht Frankfurt zum FC Bayern bekam Niko Kovac im Schnelldurchgang einen Vorgeschmack, was ihn als Deutschlands zweitwichtigsten Fußballlehrer hinter Bundestrainer Joachim Löw zukünftig erwartet. Selbst ein unwürdiger Abschied aus Frankfurt noch vor dem Saisonende scheint für den Aufsteiger unter den Bundesliga-Trainern zumindest nicht ausgeschlossen. Eine entsprechende Frage nach dem 1:4 (1:1) bei Bayer Leverkusen bezeichnete Manager Fredi Bobic zwar als „respektlos“. Er sorgte aber auch nicht für Klarheit: „Diese Frage beantworte ich nicht.“
Bobic selbst kassierte derweil nach seiner heftigen Kritik am FC Bayern („ärgerlich, unprofessionell und respektlos“) einen Konter aus München. Als „ziemlich unverschämt“ stufte Präsident Uli Hoeneß die Bobic-Vorwürfe ein. Die Andeutung, die Informationen zum Wechsel seien aus München an die Presse gedrungen, bezeichnete er bei „Sky“ gar als „Schweinerei“.
Allerdings verweigerten sowohl Hoeneß als auch Kovac eine Klarstellung über die Umstände des Wechsels. Die Version des Trainers, er sei am Donnerstag erstmals von den Bayern kontaktiert worden und man habe sofort eine Einigung erzielt, zweifeln viele an. „Das kann ich nicht glauben. Selbst in der Kreisliga lotet man so etwas aus“, sagte Christoph Metzelder als „Sky“-Experte.
Rekordnationalspieler Lothar Matthäus pflichtete bei: „Das nehme ich ihm nicht ganz ab.“ Kovac wich entsprechenden Nachfragen über den Ablauf am Samstag aus, Hoeneß schimpfte gar: „Wir sind hier nicht bei der Staatsanwaltschaft.“
So oder so ist der bis Donnerstagmittag über jeden Zweifel erhabene Kovac in Frankfurt plötzlich zum potenziellen Problem geworden. Bobic erklärte, das Verhältnis zwischen ihm und dem Trainer sei „vielleicht ein bisschen getrübt“. Vorstand Axel Hellmann sprach von „ein oder zwei Enttäuschungen in den letzten Tagen“. Und Torhüter Lukas Hradecky erklärte auf die Frage, ob die Diskussionen der vergangenen Tage Einfluss auf die Leistung gehabt hätten: „Soll ich lügen, dass es keinen hatte? Natürlich, wir sind Menschen, keine Roboter.“
In dieser Gemengelage fällt es schwer, sich auf das Halbfinale im DFB-Pokal am Mittwoch auf Schalke und den Liga-Endspurt zu konzentrieren. „Wir haben die gesamte Saison oben mitgespielt. Dafür wollen wir uns jetzt auch belohnen“, sagte Marco Fabián, in Leverkusen Schütze des Ausgleichs (23.).
Eine vorzeitige Trennung scheint aktuell noch wenig vorstellbar. Doch in den nächsten Tagen könnte eine neue Dynamik entstehen. Vor allem, wenn die Verantwortlichen zu der Ansicht kommen, dass die Diskussionen um den Baumeister des Erfolges die überraschend mögliche Europacup-Qualifikation gefährdet.
In Frankfurt beteuern sie jedenfalls, von Kovac' Abgang überrascht worden zu sein. Obwohl dieser sich extra eine Bayern-Klausel in den Vertrag schreiben ließ und in der „ARD“ erklärte: „Wenn ich diese Klausel 2016 reinsetze, gehe ich davon aus, dass das auch mal passieren wird. Sonst hätte ich das nicht gemacht.“
Doch die Hessen fühlten sich offenbar sicher. Im Januar deutete Bobic an, er wisse, wer neuer Bayern-Trainer wird - und dachte sicher nicht an Kovac. Im Februar versprach Bruno Hübner einem Journalisten im „Doppelpass“ bei „Sport1“ in die Hand, dass Kovac auch in der nächsten Saison Frankfurt-Trainer sei. Wer es nun wird, ist offen: An der Gerüchtebörse gehandelt werden Markus Weinziel, Hannes Wolf oder David Wagner.
Zur Seite sprang Kovac am Sonntag Julian Nagelsmann. „Mein Vertrag wurde auch an einem Tag gemacht — ohne jedes Vorgespräch“, sagte der Hoffenheim-Coach in der Sendung „Wontorra“: „Ich finde es alles andere als verwerflich, dass er zu Bayern zieht. Ich finde es eher verwerflich, dass man ihn jetzt so in die Pfanne haut, weil er zu Bayern geht.“
Kovac selbst tat am Samstag so, als sei nichts geschehen. „Ob Sie es mir glauben oder nicht: Das war ein ganz normales Spiel für mich. Nicht mehr und nicht weniger“, beteuerte er: „Mein Seelenleben ist genauso gut wie gestern. Und es wird auch morgen genauso gut sein.“ Auf die Frage, ob er im Fall eines Final-Einzugs im Pokal gerne gegen Leverkusen spielen würde, um um ein brisantes Endspiel gegen die Bayern herumkommen, antwortete er: „Das ist gehupft wie gezupft.“