„Ausnüchterungsgipfel“ in Mainz: BVB gefordert
Frankfurt/Main (dpa) - In Mainz jubelt keine „Boygroup vom Bruchweg“ mehr an der Eckfahne, bei Borussia Dortmund sind die Titeltänze längt Vergangenheit: Beim „Ausnüchterungsgipfel“ in der Coface Arena treffen zwei leidgeplagte, einst so siegestrunkene Bundesliga-Clubs aufeinander.
Meistertrainer Jürgen Klopp sieht vor der Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte in allen Mannschaftsteilen Handlungsbedarf: „Wir müssen nicht an großen, sondern an kleinen Schrauben drehen. Die schlechte Nachricht: Es ist leichter, große Veränderungen vorzunehmen.“
Beim Tabellenelften wächst die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit mit jedem Spieltag. Zwar weisen die Dortmunder in der Ballbesitz-Statistik den zweithöchsten Wert nach den Bayern auf, liegen aber bei der Chancenverwertung laut Fachmagazin „Kicker“ mit einer Quote von 20,6 Prozent auf dem letzten Rang. Schon in der Vorsaison war die Abschlussschwäche auffällig, konnte aber dank größerer Offensivkraft kompensiert werden. Die Dortmunder sehnen deshalb das Comeback von Torjäger Lucas Barrios herbei, der jedoch erst in zwei Wochen wieder einsatzbereit sein dürfte.
„Hört auf, ständig alles mit der Meistersaison zu vergleichen!“, fordert nun ausgerechnet der zuletzt schwache Innenverteidiger Neven Subotic in der „Bild“-Zeitung. Die einstmals stabile Abwehr wankt: In sechs Spielen musste der BVB schon vier Gegentreffer nach Standardsituationen hinnehmen. Nur drei waren es in der kompletten Meistersaison.
Vor allem die Auswärtsschwäche gibt vor den Reisen nach Mainz, Marseille und Piräus zu denken. Der letzte Sieg in der Fremde gelang beim 3:1 in München am 26. Februar. Nach dem bitteren 1:2 in Hannover, wo sein Team binnen 116 Sekunden den sicher geglaubten Erfolg verspielte, war die Geduld von Klopp aufgebraucht. In einer Aussprache mit seinen Profis fand er deutliche Worte: „Damit wir nicht dem Trugschluss erliegen, es wäre rein zufällig passiert.“
Deutlich weniger aufgebracht ist sein Mainzer Kollege Thomas Tuchel. Die Abgänge von André Schürrle, Lewis Holtby und Christian Fuchs haben die Mannschaft sichtlich gebeutelt. „Damals war nicht alles so gut, wie es jetzt schlecht ist“, sagt der Coach mit Blick zurück auf die starke Saison seiner Himmelstürmer und erklärt zum jetzigen Dilemma: „Wir werden selbstkritisch damit umgehen, werden aber auch nicht alles verteufeln.“
Die Krise in bildhafte Worte zu kleiden, das fällt einem hellen Kopf wie Tuchel jedenfalls nicht schwer. „Die Saison ist bislang wie eine Probefahrt, aber noch fahren wir mit dem Gebrauchtwagen. Wir sind noch dabei, auf den Neuwagen umzustellen“, sagte der 38-Jährige bei der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt/Main.
Am sechsten Spieltag der Saison 2010/2011 feierten die Rheinhessen einen 2:1-Sieg gegen den FC Bayern München, kurz darauf stellte der Karnevalsclub den Bundesliga-Startrekord mit sieben Siegen ein. Nach zuletzt einem Remis und drei Niederlagen steht die Mannschaft nun auf Rang 13, mit 8:13 Toren und nur sieben Punkten. Tuchel lobt „die guten Ansätze“ seiner Mannschaft, selbst bei der Derby-Niederlage zuletzt in Kaiserslautern, und erklärt: „Wir sind eine Mannschaft, die ohne viele Torchancen herzugeben wahnsinnig viele Tore kassiert.“
„Das ist eine schlechte Phase, aber ich habe schon viele schlechte Phasen bei Mainz 05 erlebt“, sagt Manager Christian Heidel. „Wir gehen da mit absoluter Ruhe durch.“ Vergleiche zum goldenen Herbst 2010 kann er nicht mehr hören: „Das ist eine ganz andere Saison, eine ganz andere Mannschaft, eine ganz andere Situation. Man soll uns doch mal mit dem fünften Platz aus dem Vorjahr in Ruhe lassen. Cut. Schluss. Aus. Wir sind Mainz 05 und sicher nicht der Europacup-Aspirant.“