Autor Lahm: Klinsmann bei Bayern früh gescheitert
Zürich (dpa) - Jürgen Klinsmann hatte bei den Fußball-Profis des FC Bayern München laut Philipp Lahm schon nach kürzester Zeit verloren. Das enthüllt der Nationalspieler in seinem Buch „Der feine Unterschied“, das schon vor dem angekündigten Erscheinunggsdatum im Handel erhältlich war.
„Nach sechs oder acht Wochen wussten bereits alle Spieler, dass es mit Klinsmann nicht gehen würde. Der Rest der Saison war Schadensbegrenzung“, heißt es in einem Auszug, den die „Bild“ am Dienstag veröffentlichte. Mit „gemischten“ Gefühlen denkt Lahm an die EM 2008 zurück. „Zu schräg die Schieflage in der Mannschaft. Zu sprunghaft unsere Leistung, zu viel Egoismus und zu viele Fehler, da fasse ich mir auch an die eigene Nase“, schrieb Lahm mit Blick auf seine Leistungen. Nach dem 1:2 gegen Kroatien habe sich das Team als „zerstrittener Haufen“ gezeigt, die Solidarität untereinander habe gefehlt.
„Reichlich verwundert“ war Lahm angesichts des Wirbels seiner Aussage zwei Tage vor dem WM-Halbfinale 2010 gegen Spanien, auch weiterhin Kapitän der Nationalmannschaft bleiben zu wollen. Die Mechanismen im Spitzenfußball seien ohne Nachsicht. Ohne Leistung verliere der verdienteste Spieler seine Aura und danach seine Funktion. Für Ballack sei es hart, nach seiner Verletzung nicht mehr im Nationalteam zu spielen. „Persönlich tut mir das leid für Balle. Aber als Spitzenfußballer muss er genauso wie ich zur Kenntnis nehmen, wie die Mechanismen unseres Sports funktionieren. Persönliche Befindlichkeiten spielen dabei zwangsläufig eine untergeordnete Rolle.“
Der ehemalige Bundestrainer Klinsmann war im Sommer 2008 als großer Reformator zum deutschen Rekordmeister gekommen. Nur zehn Monate später wurde das Projekt von der Bayern-Führung abrupt mit der Entlassung beendet. „Das Experiment Klinsmann war gescheitert“, urteilt der heutige Bayern-Kapitän Lahm.
Bei der Nationalelf hatte Lahm den heutigen US-Auswahlcoach Klinsmann noch an der Seite seines Nachfolgers und damaligen Co-Trainers Joachim Löw „als strahlenden Helden“ des deutschen WM-Sommermärchens 2006 miterlebt. Als Vereinscoach seien die Defizite als Fußballlehrer offenbar. „Bei Klinsmann trainierten wir fast nur Fitness. Taktische Belange kamen zu kurz“, berichtet Lahm und verrät: „Wir Spieler mussten uns selbstständig zusammentun, um vor dem Spiel zu besprechen, wie wir überhaupt spielen wollten.“
Im Rückblick auf die Bayern-Trainer der jüngeren Vergangenheit bezieht Nationalmannschaftskapitän Lahm in seinem Buch (Verlag Antje Kunstmann, 19,90 €) auch klar Position zum in der Vorsaison gefeuerten Holländer Louis van Gaal. „Die Zeit der Trainer, die mit ihren Spielern nur reden, um ihnen Befehle zu erteilen, ist vorbei. Ein moderner Trainer muss seine Mannschaft zwar führen, aber er darf sie nicht gegen den Willen der Spieler zu einer Spielweise verpflichten, die der Mannschaft nicht angemessen ist.“
Van Gaal halte viel von Disziplin, so Lahm, „und er hält viel von sich selbst“. Im ersten Jahr führte der Holländer die Bayern auf Anhieb zu Meisterschaft, Pokalsieg und ins Champions-League-Finale. Aber in der zweiten Saison habe sich van Gaal „schlicht geweigert, die Mängel seiner Philosophie zur Kenntnis zu nehmen und zu beseitigen“, kritisiert der 27-jährige Lahm.
Felix Magath sei ebenfalls ein Trainer, dessen Methoden nur eine gewisse Zeit bei einer Profimannschaft greifen und Erfolg verheißen würden. „Felix Magath arbeitet mit Druck“, schildert Lahm. Es käme irgendwann zwangsläufig der Zeitpunkt, an dem die Spieler „nicht mehr auf der Seite des Trainers stehen“ und „seine Tricks nicht mehr greifen“ würden. Magath wurde in München Anfang 2007 nach zwei Double-Gewinnen (Meisterschaft und DFB-Pokal) entlassen. „Es ist ein logischer Abschied, ein Ermüdungsbruch zwischen Trainer und Mannschaft“, urteilt Lahm über Magath, der derzeit zum zweiten Mal den VfL Wolfsburg trainiert.
Lahm nahm auch Stellung zu Gerüchten, er sei schwul und habe einen Freund in Köln. Ihm seien diese Spekulationen „egal“, schließlich sei Homosexualität nichts verwerfliches. Er sei mit seiner Frau Claudia nicht zum Schein verheiratet. Er lege viel Wert auf seine Privatsphäre, umso mehr irritierte ihn der spontane Besuch eines in ihn verliebten männlichen Fans in seiner ersten Münchner Wohnung am Gärtnerplatz.
Für sich habe er kein Problem mit einem schwulen Profi in der eigenen oder gegnerischen Mannschaft. „Für alle meine Kollegen kann ich in dieser Frage allerdings nicht sprechen.“ Realistisch sei: „Ich würde keinem schwulen Profifußballer raten, sich zu outen. Ich hätte Angst, dass es ihm gehen könnte wie dem englischen Profi Justin Fashanu, der sich nach seinem Outing so in die Enge getrieben fühlte, dass er schließlich Selbstmord beging.“