Delpierre-Dilemma: Acht Jahre da, acht Monate raus

Belek (dpa) - Als Matthieu Delpierre zum ersten Mal mit dem VfB Stuttgart in ein Trainingslager flog, hieß der Trainer noch Matthias Sammer, als Nebenmann in der Abwehr agierte Markus Babbel. Seit 2004 spielt der Franzose schon für den Fußball-Bundesligisten.

Kaum jemand aus dem aktuellen Team hat größere Verdienste um den Verein als er. Trotzdem steckt Delpierre in seinem achten VfB-Jahr in einem Dilemma: Sein Vertrag läuft im Juni aus. Und selbst als derart langgedienter Profi hat er es sehr schwer, sich für eine Verlängerung zu empfehlen. Denn nach seiner schweren Oberschenkelverletzung bestritt der 30-Jährige seit acht Monaten kein Pflichtspiel mehr.

„Ich bin fit wie schon lange nicht mehr. Ich habe monatelang richtig hart gearbeitet, meine Werte haben sich stark verbessert“, sagt Delpierre in Belek. Er wirkt ruhig und konzentriert wie immer, aber es ist dennoch gut möglich, dass das Trainingslager an der türkischen Riviera gerade das letzte ist, das er mit dem VfB erlebt.

Einerseits ist der Verteidiger kein Spieler wie jeder andere in diesem Verein. Der Franzose ist mit einer Schwäbin verheiratet, er wurde 2007 deutscher Meister und zweieinhalb Jahre später in höchster Abstiegsgefahr zum Kapitän ernannt. „Ich fühle mich sehr wohl hier, Stuttgart hat mir viel gegeben“, sagt er.

Andererseits gehören Dankbarkeit und gewisse Verdienste nicht zu den vorrangigen Kriterien, nach denen im Profifußball Verträge verlängert werden. Der VfB muss Personalkosten sparen, ein so üppiges Gehalt, wie er es noch 2007 in Zeiten sprudelnder Champions-League- Einnahmen aushandeln konnte, ist für Delpierre nicht mehr drin.

Vor allem aber hat sich die sportliche Ausgangsposition für ihn verändert. „Man muss realistisch sein“, meint der langjährige Stammspieler. „Die Mannschaft hat ohne mich in der Defensive sehr gut funktioniert.“ Maza und Serdar Tasci werden hinten nur schwer zu verdrängen sein - und als Ersatzmann möchte der Franzose schon von sich aus nicht bleiben. „Die sportliche Herausforderung ist für mich das Entscheidende“, sagt er. „Wenn ich sehe, dass ich keine wichtige Rolle mehr in der Mannschaft spielen kann, dann muss ich überlegen. Ich bin gerade 30 geworden und will noch ein paar Jahre spielen.“

Und so wird sich die Zukunft des VfB-Kapitäns wohl erst in ein paar Monaten entscheiden. „Ich habe großen Respekt vor Matthieu Delpierre, bei ihm werden wir Geduld haben“, erklärt Sportdirektor Fredi Bobic. „Er hat viel für den Verein geleistet, und ich wünsche ihm, dass er wieder in seine alte Form kommt.“ Der Spieler selbst kann damit leben. „Ich bin sehr offen, genau wie der Verein“, meint er. „Ich mache mir keinen Stress, denn ich brauche Geduld, vielleicht auch Glück. Es geht sehr schnell im Fußball, das habe ich gelernt.“

Erst einmal geht es für ihn ohnehin darum, wieder den Anschluss an den Rest des Teams zu finden. Das 2:0 gegen den belgischen Club Beerschot AC in Belek war für Delpierre das erste Spiel nach seinem schweren Sehnen- und Muskelriss im linken Oberschenkel im Mai 2011. „Das war sehr wichtig für mich und ein tolles Gefühl“, beschreibt er. „Training ist wichtig und gut, aber es ist eben nie wie ein Spiel.“