Bundesliga Der perfekte Lauf des Thomas M.
Düsseldorf. Am Ende des Abends stand er wieder im Studio des ZDF. Nach großen Spielen des FC Bayern kommt Thomas Müller inzwischen regelmäßig vorbei. Er stellt sich dann zwischen Moderator Jochen Breyer und TV-Experte Oliver Kahn, dem er früher im Stadion zugejubelt hatte und der nun nur noch „Olli“ ist, und parliert über den gerade errungenen Sieg.
Man muss nur diese Minuten nach dem Spiel verfolgen, um den Müller auf dem Fußballplatz zu begreifen.
3:0 hatte der FC Bayern München am Mittwochabend locker beim eigentlich heimstarken griechischen Club Olympiakos Piräus gewonnen. Es war ein guter Auftakt in die Champions League Saison. Müller hatte zwei Tore geschossen, eines davon per Elfmeter (90.). Und als Kahn diese kunstvollen Müller-Elfmeter analysieren wollte, erinnerte sich der Titan von einst an die Kompliziertheit der Aufgabe: „Ich habe in meiner Karriere selbst mal einen Elfmeter geschossen.“ Es verging keine Sekunde, da sagte Müller: „An den Pfosten, in Cottbus.“ Und Kahn murmelte so etwas wie: „Das weißt du noch? Unglaublich.“
Jener Kahn-Elfmeter landete am 23. Februar 2002 beim 6:0 gegen Energie Cottbus im Olympiastadion tatsächlich am Pfosten. In der 90. Minute. Thomas Müller war seinerzeit 12 Jahre alt. Vielleicht sei er damals Balljunge gewesen, scherzte Müller noch. Vielleicht saß er auch auf der Tribüne oder vor dem TV-Gerät. Aber Bayern ist Bayern. Und das hat der Junge aus Weilheim in Oberbayern, der seit der D-Jugend beim FC Bayern spielt, im Blut. Mehr als jeder andere im Starensemble der Münchener, zumal ihm unter bajuwarischen Gesichtspunkten eigentlich nur noch Philipp Lahm geblieben ist.
Die neuen Stars heißen Alonso, Thiago, Vidal, Costa, Coman und Lewandowski, aber die Konstante ist immer Müller. Konstant bayerisch. Konstant weltklasse. Konstant jungenhaft. Und dabei so unterhaltsam, dass er gerade dabei ist, eine Marke zu erschaffen, die auch nach dem Karriereende des gerade 26-Jährigen bestehen bleiben wird. Jetzt, wo Freund Schweinsteiger weg ist, ist der Raum für Müller noch größer geworden.
Er schießt ja auch Tore ohne Ende. Es müllert nicht nur in der Bundesliga (6 Tore in vier Spielen) und der Nationalmannschaft (3 Tore in zwei Länderspielen). Es müllerte auch in Piräus doppelt. 30 Tore in der Champions League insgesamt. Eines kurioser als das andere. „Abgerutscht“ sei er diesmal, sagte Müller und meinte den Ball, der sich aus kuriosem Winkel und großer Entfernung über Piräus-Keeper Roberto hinweg senkte (52.). Und doch eine Flanke sein sollte. Müller lachte danach wie ein 18 Jahre alter Kreisliga-Kicker, der Spaß an der eigenen, vermeintlichen Unzulänglichkeit hat. Druck? Nie. Wo der hochbegabte Mario Götze zäh um einen Platz im Team und jeden Moment von Lockerheit kämpfen muss (und dann doch in der 89. Minute zum 3:0 traf), ist Müller einfach Müller. „Der macht sich keinen Kopf“, sagt Kahn.
An eine persönliche Krise kann man sich dann auch nicht erinnern, seit Müller zuerst kurz von Jürgen Klinsmann und dann fix vom damaligen Bayer-Trainer Louis van Gaal 2009 in das Haifischbecken Profifußball geworfen wurde und dann wie der kleine „Nemo“ lächelnd allen Großkalibern davon schwamm. Jetzt ist er selbst ein Großer. „Müller spielt immer“ hat van Gaal damals gesagt. Dabei ist es geblieben, ob unter Heynckes, Guardiola oder Löw. Nur logisch, dass van Gaal, inzwischen Trainer von Manchester United, mehr als 100 Millionen Euro für Müller geboten haben soll. Der FC Bayern hat auf Verhandlungen verzichtet. Müllers Vertrag reicht bis 2019. Viel Zeit, um weiter an der eigenen Legende zu stricken.