Gisdol küsst Hoffenheim wach - „Endspiel“ in Bremen
Sinsheim (dpa) - Begriffe wie Abstiegskampf, Tabelle und Endspiel sind für Markus Gisdol bei der TSG 1899 Hoffenheim weiter tabu. Auch drei Spieltage vor Saisonende spart sich der neue Cheftrainer Plattitüden und die in der Branche gängigen Durchhalteparolen.
Beim hochverdienten 2:1 (2:0)-Sieg über den 1. FC Nürnberg zeigte seine Mannschaft mit temporeichem Offensivfußball aber eindeutig seine Handschrift - und weckte wieder Hoffnung auf den Klassenverbleib. „Ich mach' mir jetzt keine Gedanken über irgendwelche Szenarien, ich mache mir morgen Gedanken, wie wir nächste Woche trainieren und was wir in dieses Spiel reinschmeißen können“, sagte Gisdol vor der nächsten so wichtigen Partie beim Krisenclub Werder Bremen.
„Wir werden alles tun, um so gut wie möglich Fußball zu spielen“, versprach der TSG-Coach nur. Zwar gab es unter Gisdols Regie eine 0:5-Pleite in Leverkusen, aber in den drei anderen Spielen sieben Punkte. Spielerisch machen die Kraichgauer nach einer teilweise grausamen Saison enorme Fortschritte, de facto aber traten sie am Samstag auf der Stelle: Da auch der FC Augsburg siegte, beträgt der Rückstand zum Relegationsplatz nach wie vor drei Punkte.
Die TSG darf jedoch darauf hoffen, dass Fortuna Düsseldorf und Werder Bremen weiter abstürzen - Gisdol würde das natürlich nie aussprechen. „Wir müssen aufpassen, dass wir, wenn wir mal ein anständiges Spiel machen, nicht gleich in Euphorie verfallen. Ich habe nicht auf den Abstiegskampf geschaut, auch heute nicht. Und ich werde von diesem Weg keinen Millimeter abweichen“, erklärte er. Die Fans hatten nach den frühen Toren von Tobias Weis (11. Minute) und Sejad Salihovic (19.), den beiden Übriggebliebenen vom Aufstieg 2008, schon „Super Hoffe!“-Gesänge angestimmt.
Vor 28 675 Zuschauern in der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena traf Timmy Simons mit einem verwandelten Foulelfmeter (58.) für die desolaten Nürnberger, die gleich 25 Torschüsse der TSG hinnehmen mussten. „Die Atmosphäre ist wieder so ein bisschen zurück in Hoffenheim. Wir leben noch!“, sagte Weis bei „Liga total“.
Zwischen den Punktspielen räumt Gisdol auch noch Altlasten der Ära Markus Babbel/Andreas Müller auf und treibt den Umbruch konsequent voran: Zuletzt verbannte er die Neuzugänge Takashi Usami, Filip Malbasic, Afriyie Acquah und Luis Advincula in die Amateurmannschaft, holte drei A-Jugendliche in den Kader und verhalf gegen Nürnberg
U 21-Nationalspieler Stefan Thesker zum ersten Bundesliga-Spiel von Beginn an und Patrick Schorr (18) zum Debüt in der Eliteklasse. Es habe sich „viel geändert“ in Hoffenheim, meinte Thesker glückstrahlend und räumte ein: „Ich habe' das Spiel vorher fünfmal gespielt, bevor ich auf dem Platz stand.“
Mäzen Dietmar Hopp hat längst signalisiert, dass der Herbstmeister von 2008 notfalls eben den Weg über die zweite Liga gehen würde. Präsident Peter Hofmann ist davon überzeugt, „dass sich durch die Rückbesinnung auf unsere Vereinsphilosophie mittel- und langfristig wieder Erfolg einstellen wird.“ Kurzfristig könnte Gisdol die Zeit aber davonlaufen im Abstiegskampf, deshalb hält er den Ball flach.
Selbst der 1. FC Nürnberg ist noch nicht gerettet, dabei hätten die Franken mit einem Sieg die letzten theoretischen Zweifel am Klassenverbleib ausräumen können. Eine Woche nach dem 0:1 im Derby gegen Fürth brachte der „Club“ seine Fans erneut auf die Palme und spielte zeitweise, als sei die Runde bereits beendet und es handle sich um ein Benefizspiel für einen notleidenden Absteiger. „Wir haben in der ersten Halbzeit versagt“, sagte Trainer Michael Wiesinger. Torhüter Raphael Schäfer warnte: „Wir müssen aufpassen, dass wir jetzt nicht in den Strudel reinkommen.“