Pep Guardiola Guardiola: Trainer-Genie oder Fußball-Gaukler?
Fußball-Deutschland ist gespalten: Für die einen ist Pep Guardiola ein perfektionistisches Trainer-Genie, für die anderen ein überschätzter Selbstdarsteller. Für die einen ist die Schönheit des Spiels wichtiger als Titelgewinne, für die anderen ist es umgekehrt.
München. „Ich bin glücklich, ich bin stolz, aber ich bin auch traurig.“ Glücklich? Nach diesem wertlosen Sieg gegen Atlético Madrid? Pep Guardiola brauchte am Dienstag nicht lange, um die Journalisten zu überraschen. Es fällt schwer zu glauben, dass ein Trainer glücklich ist, wenn seine Mannschaft gerade ausgeschieden ist, unbelohnt für eine grandiose Leistung, glücklos bei klarer Überlegenheit. Ausgeschieden zum dritten Mal hintereinander im Halbfinale eines Wettbewerbs, den man eigentlich gewinnen wollte.
Guardiola redete nicht wie ein Verlierer, wie einer, dessen Mission gescheitert ist. Und er benahm sich auch nicht so, warf nach dem Abpfiff vom Spielfeld seinen Freunden und seiner Familie Handküsschen hinauf auf die Tribüne, plauderte später lachend mit spanischen Bekannten, umarmte seine Gesprächspartner. Seine Spieler schlichen aus der Kabine, stumm, mit leerem Blick, die Köpfe gesenkt. Natürlich waren die Bayern besser in diesem Spiel, natürlich hat sie Guardiola einige Male in dieser Saison nahe herangeführt an seine Vorstellung vom perfekten Spiel. Aber ausgeschieden sind sie trotzdem — und zwar gegen einen Gegner, der von der individuellen Klasse her nicht mit den Bayern mithalten kann, aber als Mannschaft eine enorme Stärke entwickelt und ins Finale einzog, wie schon 2014.
Die Bayern waren nahe dran in diesem denkwürdigen Rückspiel, aber lag das an Guardiola und seiner Idee vom passspielgeprägten Ballbesitzfußball? Nein, es war mehr die Mentalität dieses erfolgsbesessenen Clubs, der seinen Mythos ja gerade daraus bezieht, dass er nie zufrieden ist mit dem zweiten Platz. Es war der typische FC Bayern, der mit dem unerschütterlichen Glauben an den Erfolg bis zuletzt den Triumph vor Augen hatte, und nicht der FC Bayern von Guardiola.
Die Diskussion „Was bleibt von Pep?“ ist in vollem Gange, und sie bezieht sich nicht nur auf den FC Bayern. Denn der Schüler des großen Johan Cruyff hat mit seiner Idee vom schönen, perfekten Spiel die Frage der Spielkultur auf der Agenda der Experten nach oben gerückt; Taktik-Diskussionen sind angesagt. Und er hat in Deutschland Nachahmer gefunden. Auch der Dortmunder Thomas Tuchel gehört zu seinen Bewunderern; seine Mannschaft kann in einem anderen Stil, aber ebenfalls auf der Basis einer perfektionistisch angelegten Planung rauschhaften, brillanten Fußball zeigen. Aber scheiterte nicht auch der BVB im Europapokal mit dem FC Liverpool an einem Team, das nicht annähernd die Dortmunder Klasse hat, aber eine Leidenschaft und einen Geist erzeugte, gegen die es keinen Plan, keine Strategie gab?
Der FC Bayern hat nach Guardiola eine mit herausragenden Könnern besetzte, taktisch vielseitig ausgebildete Mannschaft, die nach Ansicht langjähriger Beobachter die beste ist seit den goldenen Siebzigerjahren. Und auch die teuerste, denn auch das gehört zu Guardiolas Münchener Bilanz: dass ihm die Bosse nahezu jeden Wunsch erfüllten. Und dabei zusahen, wie der Maestro sich ganz irdische Fehlgriffe leistete und es übrigens nicht schaffte, eins der größten deutschen Talente aller Zeiten, Mario Götze, in irgendeiner Form nutzbar zu machen für die Bayern.
Dennoch übergibt Guardiola seinem Nachfolger Carlos Ancelotti eine großartige Mannschaft. Vielleicht tut es ihr gut, nach dem Stress, den der niemals zufriedene Perfektionist und detailversessene Stratege Guardiola durchaus verbreitete, wieder einen Coach zu bekommen, der etwas pragmatischer, etwas fußballtypischer, etwas geerdeter auftritt und handelt. Wahrscheinlich wird er nicht stilprägend sein wie Guardiola, aber vielleicht gewinnt er die Champions League — es wäre das vierte Mal für ihn.
„Ich habe mein Leben gegeben für diese Mannschaft, für diesen Club. Ich bereue nichts, ich bin stolz, dass ich hier sein durfte“, sagte Guardiola am Dienstag. Ergriffen lauschten die einen und verneigten sich tief. Ein bisschen viel Pathos, dachten die anderen und fragten sich: Geht’s auch ’ne Nummer kleiner?
Wohl nicht. Weder bei einem Genie noch bei einem Gaukler.