Hoffenheim mit Adrenalinschock in die Relegation

Dortmund (dpa) - „Zicke-Zacke-Zicke-Zacke-Hoi-Hoi-Hoi!“ Die Hoffenheimer Kabine im Dortmunder Fußball-Tempel wurde binnen weniger Minuten zur Partyzone.

Nach dem Hollywood-Finale gegen den BVB feierten die Kraichgauer in einer Mischung aus Erleichterung und Ungläubigkeit ihren sensationellen Last-Minute-Sprung auf den Relegationsplatz, den sie bis zuletzt selbst nicht mehr für möglich gehalten hatten. „So etwas kennt man eigentlich nur aus dem Fernsehen“, sagte Hoffenheims Stürmer Sven Schipplock. „Die Endphase war das Irrste, was ich je erlebt habe. So ein Adrenalin hatte ich glaube ich noch nie im Körper.“

Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp geht mit großem Optimismus in die beiden Entscheidungspartien. „Wir sind sehr dankbar für die Chance, die Relegationsspiele bestreiten zu dürfen und sehen diesen voller Zuversicht entgegen“, sagte Hopp. Der 73-Jährige hatte das Spiel nicht im Stadion verfolgt, weil er sich die Schmähgesänge der Dortmunder Fans ersparen wollte. Was er daheim im Fernsehen sah, versetzte ihn in große Euphorie. „Das scheinbar Unmögliche ist passiert“, meinte Hopp.

Von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt - und das ganze binnen weniger Minuten im Höllentempo wieder zurück. Die Hoffenheimer Gefühlswelt wurde an diesem 34. Spieltag noch einmal auf eine harte Probe gestellt. 60 bis 70 Minuten wirkte das Team von Trainer Markus Gisdol wie ein Absteiger. Leb-, einsatz- und emotionslos schleppten sich die einstigen Himmelsstürmer über den Rasen. Die Rettung war in diesem Moment so wahrscheinlich wie eine zukünftige Fan-Freundschaft zwischen Dortmund und Schalke.

Doch dann verabschiedete sich der BVB in seinen Gedanken endgültig in Richtung Champions-League-Finale, während die Hoffenheimer endlich den Anschein erweckten, als hätten sie in der Tat ein Interesse an einem weiteren Jahr in der Beletage des deutschen Fußballs. „Unser Plan ist perfekt aufgegangen. Wir haben uns gesagt, unsere Chance wird ab der 60./70. Minute kommen, wenn die Dortmunder nicht zu hoch in Führung gehen“, sagte Andreas Beck, der wegen der Relegationsspiele gegen den 1. FC Kaiserslautern am 23. und 27. Mai seine Teilnahme an der USA-Reise der Nationalmannschaft „liebend gerne“ absagte.

Mit zwei Foulelfmetern machte der nervenstarke Sejad Salihovic (77./82. Minute) die frühe Führung von BVB-Torjäger Robert Lewandowski (6.) wett, plötzlich hatte die TSG erstmals seit dem 22. Spieltag wieder die direkten Abstiegsränge verlassen. Es sollte jedoch nicht das letzte „Kapitel in dieser unfassbaren Saison“ (Beck) für den Dorfclub sein.

Weil die Hoffenheimer trotz Überzahl nach Rot für BVB-Keeper Roman Weidenfeller (80.) und der Tatsache, dass wegen bereits verbrauchter Wechsel-Kapazitäten in Kevin Großkreutz nun ein Feldspieler das Tor der Hausherren hütete, wieder der Mut verließ, gerieten sie doch noch in Gefahr. Und das auf eine Art und Weise, wie es die Fußball-Bundesliga in ihren 50 Jahren wohl selten erlebt hatte.

Die Dortmunder stürmten noch einmal mit Mann und Maus nach vorne und wurden in der vierten Minute der Nachspielzeit durch Marcel Schmelzer scheinbar belohnt. Die meisten der Hoffenheimer Spieler sanken nach dem vermeintlichen 2:2 konsterniert zu Boden, Trainer Markus Gisdol warf wutentbrannt seine Trainingsjacke von sich.

Aber dann verweigerte Schiedsrichter Jochen Drees dem Treffer nach Rücksprache mit seinem Assistenten doch die Anerkennung, weil der im Abseits stehende Lewandowski 1899-Keeper Koen Casteels behindert hatte. „Da muss man den Hut vor ziehen, dass der Schiedsrichter in so einem Hexenkessel sich vom Linienrichter nochmal belehren lässt“, sagte Beck, ehe er glückselig in den Bus stieg.

Eine Riesensause gab es danach aber nicht. „Natürlich ist die Freude groß, aber letztendlich gibt es jetzt keinen Grund zu feiern“, sagte Schipplock. Auch Gisdol mahnte. „Wir haben nur die Relegation geschafft - sonst nichts. Wir müssen jetzt ruhig und klug bleiben. Und versuchen, den Schwung aus der heutigen Partie am Donnerstag mit in unser Stadion zu nehmen.“