Gipfel im Keller HSV gegen Köln im „gefühlt 25. Endspiel“
Hamburg (dpa) - Es ist das Top-Spiel der kläglichen Art: der Letzte der Fußball-Bundesliga beim Vorletzten. Vor dem Abstiegsgipfel am Samstag (18.30 Uhr) ist die Stimmung dem erschreckend harmlosen Hamburger SV gegen den wiedererwachten 1. FC Köln so trüb wie lange nicht mehr.
Die Kölner haben nichts mehr zu verlieren, die Hanseaten stehen indes unter Druck und müssen ihre Sieglos-Serie beenden, auch um ihrem Trainer Markus Gisdol den Job zu retten. Auch Uwe Seeler schlagen die Dauerkrise und der Dauer-Abstiegskampf aufs Gemüt: „Es nimmt mich sehr mit, dass der HSV nichts auf die Beine gestellt bekommt“, klagt das 81 Jahre alte HSV-Idol in der „Hamburger Morgenpost“. Bei einem erstmaligen Absturz in die 2. Liga würde dem Club auch die Zukunft davonrennen. So wäre das 18 Jahre alte Riesentalent Jann-Fiete Arp wohl weg. Man müsse sich fragen, sagt Vater Falko Arp dem „Sportbuzzer“, „ob es sinnvoll ist, in die 2. Liga mitzugehen.“
Im Gegensatz zu den Norddeutschen herrschen beim Letzten Frohsinn und Spielgier: Aus zwei Siegen ziehen die schon abgeschriebenen Kölner neues Selbstvertrauen. Motto: Unmögliches erledigen wir sofort, Wunder etwas später! „Ich möchte jetzt nicht in der Hamburger Haut stecken“, stichelte Trainer Stefan Ruthenbeck schadenfroh und versucht, die Verunsicherung der Hanseaten zu schüren. Gisdol registrierte die Worte. „Der verbal forsche Auftritt der Kölner ist Motivation genug“, erwiderte er trotzig.
Seit fünf Spielen läuft in seinem Team so gut wie nichts mehr in der Offensive zusammen. Gerade einmal zwei Punkte holte der HSV und schoss zwei Tore. Insgesamt stehen 15 Punkte in 18 Spielen auf dem Konto, dürftige 15 Tore, elf Saisonniederlagen und zehn Spiele ohne eigenes Tor lassen das einzige Bundesliga-Dauermitglied zum Abstiegsfavoriten neben den abgeschlagenen Kölnern (9 Punkte) werden. Diesmal hat es den Anschein, als könnten die relegationserfahrenen Hamburger nicht von Mannschaften profitieren, die noch erfolgloser sind als sie selbst.
„Es ist gefühlt das 25. Endspiel“, sagt Gisdol genervt. „Letztes Jahr wurde so gut wie jedes Spiel mit diesem Begriff bezeichnet.“ Für den Trainer wird es immer ungemütlicher. 49 Prozent seiner Spiele seit Amtsantritt im September 2016 hat der gebürtige Schwabe verloren. Vorstandschef Heribert Bruchhagen will eigentlich keinen Wechsel auf der Trainerposition. Er will Ruhe und Kontinuität. Aber auch er kann die üblichen Mechanismen des Profifußballs nicht endlos ignorieren. „Wir denken in Lösungen, nicht in Problemen“, hält Gisdol dagegen.
Seit 2013 dümpelt der HSV in der unteren Tabellenregion herum. Lediglich 2015/16 gelang nach langem Überlebenskampf mit dem am Ende glücklichen zehnten Platz eine Verschnaufpause. Sechs Cheftrainer und vier Sportchefs, die rund 40 Spielertransfers im Wert von mehr als 120 Millionen Euro vornahmen, haben in fünf Jahren keinerlei Entwicklung zum Besseren ausgelöst. Von der Mannschaft aus dem ersten Relegationsjahr 2014 ist nur noch Dennis Diekmeier dabei. Der HSV wurde personell runderneuert, gegen den Abstieg spielt er immer noch. Warum, so fragt man sich ratlos, sollte es mit einem neuen Coach besser werden? Die Ursachen liegen vermutlich tiefer.
Die Kölner, die eigentlich schon mit dem Kapitel Bundesliga abgeschlossen hatten und in Lethargie zu versinken drohten, sind wieder quicklebendig. Gewinnt der FC, ist er bis auf drei Punkte am HSV dran. „Wir glauben noch an den Klassenerhalt“, versicherte Torhüter Timo Horn. „Wir werden auf Sieg spielen, von der ersten bis zur letzten Sekunde“, betonte Ruthenbeck und verbreitete eine Abenteuer-Stimmung wie bei einer Abiturklasse auf Abschlussfahrt.
Begleitet wird das Team von 4000 FC-Anhängern. Ihnen versprach Ruthenbeck: „Für das Ergebnis kann ich nicht garantieren. Aber ich kann garantieren, dass die Mannschaft Vollgas geben wird.“ Der HSV sei allerdings stärker, als es das Tabellenbild derzeit zeige, meint er. Vielleicht lässt er seine Neuerwerbung Vincent Koziello los.
Auch Gisdol will Optimismus demonstrieren. Er hat ausgemacht, dass seine Spieler „zu 100 Prozent wollen“, sich sogar mit Wehwehchen zum Training schleppen. Was drumherum geredet und geschrieben wird, lasse ihn kalt. „Das beeinflusst meine Arbeit überhaupt nicht“, behauptete Gisdol und kündigte an: „Lasst uns nach dem Spiel reden.“