In 15 Sekunden: Bundesliga bereit für Videobeweis-Test
Frankfurt/Main (dpa) - Der deutsche Profifußball treibt vehement den Videobeweis voran, sieht darin aber kein Allheilmittel. „Es wird weiter diskussionswürdige Entscheidungen geben, es wird auch weiter Fehlentscheidungen geben“, sagte DFL-Direktor Ansgar Schwenken in Frankfurt/Main.
Innerhalb von 12 bis 15 Sekunden könnten nach der Testphase strittige Szenen in der Bundesliga geklärt werden. Die Entscheidung, wann eine Spiel dafür unterbrochen wird, obliegt dann nur den Referees. Die Mannschaften sollen in dieser Hinsicht nichts zu melden haben. „Wir müssen auf jeden Fall Chaos vermeiden“, warnte DFB-Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel.
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wollen Vorreiter in der neuen Technologie sein. Die DFL hat sich wie weitere acht nationale Verbände bei der FIFA um eine zweijährige Testphase beworben, über die das International Football Association Board (IFAB) auf seiner Sitzung an diesem Samstag in Cardiff entscheiden soll. Es wäre die zweite technische Revolution nach der Einführung der Torlinientechnologie: Ein Video-Assistent außerhalb des Stadions oder in einem geschlossenen Raum innerhalb des Stadions soll bei Spielunterbrechungen TV-Bilder anschauen und dem Schiedsrichter per Headset auf Platz helfen.
Der deutsche Profifußball will sich dabei getreu den Vorgaben des Weltverbandes FIFA auf drei Bereiche konzentrieren: Torerzielung (dazu zählen Abseitsdiskussionen), Elfmetersituation und Platzverweise. Eine Absage erteilten die deutschen Verantwortlichen einem Wunsch von Karl-Heinz Rummenigge. Bayern Münchens Vorstandschef hatte gesagt: „Mein Vorschlag wäre, dass jeder Verein pro Halbzeit bis zu zwei Unterbrechungen fordern kann, in denen ein Oberschiedsrichter strittige Szenen prüft.“
Schwenken erklärte, man habe sich bewusst dagegen entschieden: „Ich glaube, dass das noch zu mehr Verunsicherung führen würde. Wir wollen in Deutschland eine Testphase, wo das Schiedsrichter-Team in Gänze Herr des Geschehens ist.“ Grundsätzlich werde letztlich immer der Spielleiter und nicht der Video-Assistent die Entscheidung bei strittigen Situationen treffen. Ein Monitor wird auch am Spielfeldrand stehen. In seltenen Fällen, so Fandel, könne der Schiedsrichter sagen: „Ich schaue mir das selbst an.“
In dieser Bundesliga-Saison war angesichts von zahlreichen folgenschweren Fehlentscheidungen der Ruf nach dem Videobeweis lauter geworden. Zuletzt hatte sich auch der neue FIFA-Präsident Gianni Infantino deutlich für Tests ausgesprochen.
Die IFAB-Direktoren haben für Tests eine „starke Empfehlung“ ausgesprochen. In den Niederlanden läuft bereits seit eineinhalb Jahren eine Testphase. Erprobt werden soll die neue Technologie - das Grüne Licht der Regelhüter vorausgesetzt - erst ein Jahr im Offline-Modus, also ohne Kontakt zwischen dem Videoassistenten und dem Unparteiischen auf dem Rasen. Davon würden Spieler und Fans auch nichts mitbekommen. Im zweiten Spieljahr würde dann das Experiment in die Praxis übergehen - eine überaus spannende Phase.
„Wir glauben, dass wir ein kleines Stückchen mehr Gerechtigkeit da reinbringen“, sagte DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann. Schwenken betonte: „Wir wollen den Charakter des Spiels nicht verändern.“ Nach Ansicht Fandels wird es haarscharfe Fehlentscheidungen - wie im Falle des Dortmunders Pierre-Emerick Aubameyang bei seinem Tor zum 1:0 gegen Ingolstadt - künftig nicht mehr geben.