Guardiola mahnt vor „komplett anderem BVB“
München (dpa) - Plötzlich sind es nur noch fünf Punkte. Über Nacht ist der deutsche Clásico zwischen Dortmund und Bayern wieder zu einem richtig heißen Titelduell geworden. Ein Fußball-Weiser hatte es immer schon geahnt.
Der Rummel um Uli Hoeneß geriet schlagartig zur Nebensache. Die Fußballwelt des FC Bayern drehte sich nach dem 1:2 gegen die in Champions-League-Dimensionen aufsteigenden Mainzer Höhenflieger nicht mehr um das Stadion-Comeback des frisch aus der Haft entlassenen Ex-Präsidenten, sondern nur noch um die plötzlich reale Gefahr für ein historisches Titelprojekt. Pep Guardiola nahm den Warnschuss vor dem deutschen Fußball-Clásico in Dortmund jedenfalls sehr ernst. „Der BVB ist dieses Jahr komplett ein anderer als die letzten drei Jahre“, warnte der spanische Starcoach.
Borussia Dortmund ist dank bemerkenswerter Mainzer Schützenhilfe zehn Spieltage vor Saisonschluss wieder in Schlagdistanz zum lange entrückten Spitzenreiter gerückt. Von acht auf fünf Punkte schmolz der Bayern-Vorsprung. Bei einem BVB-Sieg im Topspiel am Samstag wären es sogar nur noch zwei. „Wir konnten den Kampf wieder ein bisschen spannend machen“, bemerkte der bestens gelaunter Mainzer Trainer Martin Schmidt bei der Pressekonferenz am Mittwochabend in der Münchner Arena und ergänzte zu Kollege Guardiola blickend: „Ich weiß, ihr wollt das nicht hören, aber das ist gut für die Bundesliga.“
Guardiola lauschte gefasst. Zumal er, der Fußball-Weise, die Wahrheit doch schon immer gewusst und auch immer wieder verkündet hatte. „Im November haben die Leute gesagt, Bayern ist schon deutscher Meister“, erinnerte Guardiola: „Ich habe immer gesagt, dass wir bis zur letzten Sekunde kämpfen müssen.“ Für eines seiner Münchner Abschiedsgeschenke könnte es in der Tat noch mal eng werden, mahnte Guardiola: „Keine Mannschaft in der deutschen Geschichte hat die Bundesliga viermal nacheinander gewonnen. Heute konnten wir merken, dass wir noch viel arbeiten müssen, um unseren Titel zu verteidigen.“
Nicht nur Ober-Fan Hoeneß wurde bei der ersten Heimniederlage der Saison aufgeschreckt. Der eingewechselte Jhon Cordoba versetzte den Bayern in der 86. Minute den K.o. Zuvor hatte Arjen Robben (64.) die erste Mainzer Führung durch Jairo Samperio (26.) ausgeglichen. Nur ein Ausrutscher? Oder doch ein Wirkungstreffer? „Wenn du viele Spiele hintereinander gewinnst, dann kommt irgendwann der Moment, in dem du verlierst“, sagte Torschütze Robben ärgerlich, aber nicht besorgt.
Jetzt ist halt etwas mehr Feuer drin in der Kraftprobe mit den Dortmundern, die in der Hinrunde in München mit 1:5 untergegangen waren. Es ist nun eine richtige Titelprüfung - für beide Teams. „Wenn wir mit acht Punkten Vorsprung nach Dortmund gefahren wären, wären wir etwas entspannter gewesen mit Blick auf die Tabelle“, verkündete der verstimmte Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge. „Das wird jetzt natürlich ein Spiel, wo wir sicherlich nicht verlieren dürfen.“
Das werde man, versicherte der ehemalige BVB-Torjäger Robert Lewandowski. Er sei sicher, dass man am Samstag „viel besser und effektiver spielen“ werde, versprach der Pole. „Wir haben immer noch mehr Punkte“, betonte Lewandowski mit Blick auf die Ausgangsposition: „Aber das ist ein sehr wichtige Spiel für die Zukunft.“
In der Gegenwart fehlt den Bayern ihre roboterhafte Präzision, mit der sie unter Guardiola gewöhnlich Siege am Fließband produzieren. Die Souveränität ging dem Starensemble schon beim unnötigen 2:2 bei Juventus Turin in der Champions League ab. Die dezimierte Abwehr ist selbst national extrem verwundbar. Einige Topspieler wie Thiago oder der in der Hinrunde herausragende Brasilianer Douglas Costa schwächeln unübersehbar. „Sechs, sieben Spieler haben gut gespielt“, erklärte auch Guardiola, der für Weltmeister Mario Götze wieder keine Verwendung hatte. Guardiola wechselte nur zweimal, nicht dreimal!
„Da ist einiges schiefgelaufen heute“, sagte Rummenigge zur Gesamtperformance. Er sprach sogar von einer „verdienten Niederlage“. Die Begründung lieferte 05-Coach Schmidt: „Die Effizienz vorne war entscheidend.“ Mainz genügten fünf Torschüsse und 22 Prozent Ballbesitz. Robben wusste dennoch sofort, was sich beim FC Bayern in Dortmund hinten und vorne ändern muss: „Wir müssen rigoroser sein!“