Jansen: HSV-Situation „sehr, sehr ernst“
Bremen (dpa) - Abgekämpft und enttäuscht suchte Marcell Jansen nach den richtigen Worten. „Die Situation war und bleibt schwierig und sehr, sehr ernst“, sagte der HSV-Kapitän mit gesenktem Kopf zur 0:1-Niederlage im Jubiläums-Derby in Bremen.
Nach 96 emotionalen Minuten mussten die Hamburger mitansehen, wie die Werder-Profis ausgiebig in der Fankurve feierten. Für Jansen und Co. blieb nur schwacher Trost. „Wir sind nicht wie sonst auseinandergebrochen“, stellte der 28-Jährige fest.
Allerdings wird das Team des Bundesliga-Dinos im Abstiegskampf weiter dezimiert. Der in die Mannschaft zurückgekehrte Slobodan Rajkovic zog sich in seinem zweiten Saisonspiel einen Kreuz- und Innenbandriss im linken Knie zu und fällt für den Rest der Saison aus. Gerade mit dem ursprünglich aussortierten Serben hatte die HSV-Innenverteidigung mehr Halt bekommen. Zu allem Überfluss erlitt Mittelfeldspieler Milan Badelj auch noch einen Handbruch. Der Kroate soll mit einer Schiene weiterhin spielfähig sein.
Nicht nur deshalb tat dem HSV die 36. Niederlage im 100. Nord-Derby der Fußball-Bundesliga besonders weh. Die Hamburger liegen im Abstiegskampf nun bereits sechs Punkte hinter dem ebenfalls gefährdeten Nachbarn. Die Hoffnung auf eine dauerhafte Wende durch den Trainerwechsel ist bereits wieder verschwunden, schon im zweiten Spiel unter Mirko Slomka setzte es die erste Niederlage. „Den Schwung von Dortmund konnten wir nicht ganz mitnehmen“, sagte Manager Oliver Kreuzer mit Blick auf den 3:0-Auftaktsieg unter dem neuen Coach.
„Wir haben statistisch eine gute Partie gemacht“, lautete Slomkas merkwürdig klingender Kommentar. Die Zahlen dokumentierten zwar mehr Ballbesitz, sagten aber wenig über das Spiel, in dem die Bremer deutlich mehr Torchancen hatten und mit einem verdienten Sieg die HSV-Krise verschärften. „Wir sind alle sehr enttäuscht“, gab der neue Coach zu. Kreuzer erkannte realistisch: „Wir hatten nicht unbedingt eine klare Torchance.“ Der HSV kam nur selten in Bremens Strafraum, auch Neu-Nationalspieler Pierre-Michel Lasogga hatten die Werder-Innenverteidiger sicher im Griff. „Uns hat der entscheidende Punch gefehlt“, sagte Lasogga. „Wir haben trotzdem ein ordentliches Spiel gemacht.“ Tatsächlich wird es der HSV mit solch harmlosen Auftritten wie in Bremen im Abstiegskampf sehr schwer haben.
Es war ein gebrauchtes Wochenende für die Hamburger. Schon auf dem Weg zum Stadion wurde der Mannschaftsbus von Werder-Anhängern mit Steinen und Feuerzeugen beworfen. „Das war fast kriminell, was da alles an den Bus geflogen ist“, so Kreuzer. Auch während des Derbys und nach der Partie blieb die Stimmung nach Angaben der Polizei „hochgradig aggressiv“. Verletzt wurde bei den Ausschreitungen niemand, 17 Fans kamen in Gewahrsam. Beide Fan-Lager fielen zudem durch das Abbrennen von Pyrotechnik unangenehm auf, zu Beginn der zweiten Halbzeit landete eine Rakete sogar auf dem Spielfeld. Schiedsrichter Florian Meyer unterbrach das Spiel für vier Minuten.
Die Bremer kamen dadurch nicht aus dem Rhythmus - und dürfen jetzt ein bisschen durchatmen. Dank der wohl besten Saisonleistung setzten sich die Werderaner von der gefährlichen Zone ab und feierten noch lange nach Spielende in der Fankurve. „Das war ein toller Fight“, lobte Trainer Robin Dutt sichtlich beeindruckt. „Ich habe schon einige Derbys erlebt - so geknistert hat es bisher noch nirgends. Die ganze Stadt war in Aufregung, der Verein war in Aufregung.“ Von lähmender Abstiegsangst war bei seinem Team wenig zu sehen. Im Gegenteil: Werder spielte zielstrebiger und mutiger, was sich vor allem vor dem entscheidenden Treffer durch Zlatko Junuzovic (19.) zeigte: Spielmacher Aaron Hunt bereitete das Tor mit einem frechen Hackentrick über die HSV-Abwehr vor und bewies damit seine Sonderstellung im Team.