Kein Trost für Hoeneß - BVB vor Festwochen
Die Bayern streiten, die Dortmunder strahlen: Noch vor kurzem sah es in der Bundesliga nach einem packenden Titel-Vierkampf aus. Am 19. Spieltag lag das Trio Bayern, Dortmund, Schalke gleichauf einen Punkt vor Gladbach.
Jetzt setzt der meisterliche BVB zum Alleingang an.
München (dpa) - Wenigstens einen Bayern-Sieg konnte Uli Hoeneß am Wochenende dann doch noch bejubeln. Die Münchner Korbjäger gewannen ihr Bundesliga-Heimspiel gegen die Artland Dragons klar mit 97:70.
Aber auch der von Zuschauer Hoeneß belobigte „Spitzen-Basketball“ konnte die sorgenvolle Miene des Vereinspräsidenten einen Tag nach der 0:2-Pleite seiner Fußball-Profis in Leverkusen kaum aufhellen.
In kürzester Zeit ist aus einem „Hort der Glückseligkeit“, wie Hoeneß noch auf der Jahreshauptversammlung im November schwärmte, eine Bayern-Familie geworden, deren Kicker sich auf dem Platz zoffen. Die Strahlemänner des deutschen Fußballs sind erneut in Dortmund zu Hause. Dabei durften sich die Fans noch vor wenigen Wochen auf den spannendsten Titelkampf seit 20 Jahren freuen: Bayern, Dortmund und Schalke lagen nach dem 19. Spieltag gleichauf vorne, Gladbach folgte mit einem Punkt Rückstand. Nur fünf Runden später hat die Borussia die Viererbande gesprengt und setzt zum langweiligen Alleingang an.
Der Titelverteidiger kam am Wochenende aus dem Jubeln gar nicht mehr heraus; zum eigenen 2:1-Heimsieg gegen Mainz gesellten sich die Patzer der Bayern, Schalker (1:2 in Freiburg) und Gladbacher (0:1 in Nürnberg). Meistertrainer Jürgen Klopp verordnete sich dennoch einen demütigen Umgang mit der Situation: „Der einzige Vorsprung, über den ich mich ein bisschen freue, sind die elf Punkte auf Platz vier.“
Die Borussen machen sich einen Spaß daraus, den Tag und Nacht von Titeln redenden Bayern mit ihrer Tiefstapelei wie im vergangenen Jahr den Nerv zu rauben. „In der vergangenen Saison habe ich das M-Wort bei elf Punkten Vorsprung freigegeben. Jetzt haben wir keine elf Punkte Vorsprung“, bemerkte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke nach dem 2:1 gegen Mainz.
Sieben Punkte vor Bayern, acht vor Gladbach, elf vor Erzrivale Schalke - der BVB ist national die unangefochtene Nummer eins. Und Rekordchampion FC Bayern? Thomas Müller, der in Leverkusen lautstark mit seinem Teamkollegen Jérome Boateng aneinandergeriet, suchte nicht mehr nach Ausreden, sondern sprach öffentlich von „Unvermögen“.
Ins Visier der Kritik gerät auch Trainer Jupp Heynckes. „Wenn man Verlierer ist, hat man wenig Argumente“, musste der 66-Jährige in Leverkusen einräumen. In der glorreichen Vorrunde hatte derselbe Heynckes den „Fußball noch zur Kunst erhoben“, wie sein Kumpel Hoeneß bei bis zu acht Punkten Vorsprung auf Dortmund verkündet hatte.
Jetzt wirkt Heynckes zunehmend ratlos im Umgang mit einer divenhaften Startruppe, die gerade auswärts unerklärlich schwächelt. „Wir leben in einem Eine-Woche-gut-und-eine-Woche-schlecht-Rhythmus“, bemerkte Müller zu den zwei Bayern-Gesichtern in der Rückrunde.
Die nach wie vor herausragenden Münchner Einzelspieler bilden keine verschworene Einheit mehr. Ganz anders der BVB, der im Gegensatz zu den Bayern (Bastian Schweinsteiger) auch Ausfälle wie den von Jungstar Mario Götze scheinbar problemlos wegsteckt. Ein Einbruch scheint nicht zu erwarten. „Wir sind weiter gierig auf Siege“, versicherte Torwart Roman Weidenfeller. Zudem profitiere der BVB davon, dass er nicht mehr die Zusatzbelastung Champions League habe, wie Heynckes bemerkte: „Für die Meisterschaft ist das schon ein Vorteil, vor allem, wenn man sieht, wie kräftezehrend die Dortmunder Fußball spielen.“
Und mit welcher Freude und Leidenschaft! Die haben die Bayern in der Bundesliga längst verloren. Hoeneß, Heynckes & Co. müssen bange auf die kommenden Wochen blicken. Am 13. März muss in der Champions League gegen den FC Basel der drohende K.o. abgewendet werden. Und nur acht Tage später steht im kniffligen Pokal-Halbfinale in Gladbach gleich der nächste Titel auf dem Spiel. „Wir müssen an uns glauben und nicht den Kopf in den Sand stecken“, forderte Mario Gomez, der auch nicht mehr am Fließband trifft.
Trösten können sich die Bayern derzeit allein damit, dass auch Gladbach und Schalke schwächeln. „Wir haben hier eine große Chance verpasst“, haderte Gladbachs Stürmer Mike Hanke nach dem 0:1 in Nürnberg. Trainer Lucien Favre beklagte eine abfallende Leistungskurve: „Wir spielen nicht mehr so gut wie vor zwei Wochen.“
Auch auf Schalke entsteht ein Reizklima nach zwei Auswärtspleiten in einer Woche. Ein Sturz aus den Champions-League-Plätzen ist nicht mehr utopisch. „Wir dürfen jetzt nicht aus der Emotion heraus alles schlecht machen“, verkündete Kapitän Benjamin Höwedes beschwörend.
Erzrivale Dortmund kann sich derweil schon lustvoll auf die „Wochen der Wahrheit“ (Torwart Weidenfeller) im April freuen. Vom 30. bis 32. Spieltag geht es für den BVB nacheinander gegen Bayern (H), Schalke (A) und Gladbach (H) - es sieht nach schwarz-gelben Festwochen aus, zumal Abwehr-Ass Mats Hummels nach dem Sieg gegen Mainz feststellte: „Wir sind jetzt wieder so gut wie im Meisterjahr.“