Bundesliga Köln feiert gegen Wolfsburg einen außergewöhnlichen Tag
Köln. Über Vertragsentwürfe hört man Fußball-Trainer in der Fußball-Bundesliga selten sprechen, aber auch das ist in Köln jetzt anders. Ob er denn vertraglich eine Prämie für das Erreichen der Europa League fixiert habe, wurde Peter Stöger am Samstagabend nach dem 1:0 (0:0)-Sieg gegen den VfL Wolfsburg gefragt.
Stöger nahm die Frage hin, horchte kurz in sich rein, blickte dann an das Ende des Raumes, wo sich Sportdirektor Jörg Schmadtke postiert hatte, und fragte trocken in dessen Richtung: „Hab ich?" Schmadtke antwortete: „Ja, hast Du!" Und Stöger erwiderte gen Journalist: „Ja, habe ich."
So laufen die Dinge in Köln seit einiger Zeit: Im Zusammenspiel der Kräfte sind der Trainer und sein Sportdirektor vorbildlich eingespielt, nichts scheint diese Bande derzeit erschüttern zu können. Zumal es sportlich immer weiter bergauf geht: Seit dem Erfolg gegen Wolfsburg, den sich die Kölner verdient hatten, der aber trotzdem unter glücklichen Umständen gelang, platziert sich der einst chronisch darbende Verein tatsächlich auf einem Platz, der in der kommenden Saison das internationale Geschäft eröffnen würde: mit Wochentagsspielen, mit zusätzlichem Stress, mit neuem Flair, sprich: mit allem, wonach sich die Kölner Anhänger so sehnen. Der letzte europäische Auftritt liegt schließlich ewig zurück: Am 30. September 1992 verlor der FC nach einem 2:0 im Hinspiel mit 0:3 bei Celtic Glasgow und verpasste den Einzug in die zweite Runde des Uefa-Pokals mit Spielern wie Bodo Illgner, Alfons Higl, Horst Heldt, Pierre Littbarski oder Frank Ordenewitz.
Die Stress-Probe absolvieren Stöger und seine Auserwählten gleich am Dienstag, wenn es im Achtelfinale des DFB-Pokals beim Hamburger SV (18.30 Uhr) um viel geht. Der Trainer schmunzelte, als ein Fachmann am Rande diese Pokalreise in den Norden als zusätzliche Belastung titulierte. „Wir haben drei Mal in der Saison eine englische Woche, da sollten wir nicht über Belastung sprechen." Der Trainer war spürbar gut gelaunt, und seine Mannschaft feierte das 1:0 gegen Wolfsburg fast überschwänglich mit den Fans, die Gesänge anstimmten, die von Mailand und Europa handelten. „In der Kabine war heute viel mehr Freude und Ausgelassenheit als nach dem 6:1 in Darmstadt am vergangenen Wochenende", berichtete Stöger und lieferte den Grund gleich mit: Wolfsburg hatte nicht nur einen durchaus guten Eindruck hinterlassen, sondern mit Spielern wie Gomez, Rodriguez, Malli, Gustavo oder Gerhardt (Stöger: "Natürlich hätte er noch Platz in unserer ersten Elf!") auch wirkliche Qualität auf dem Platz. Trainer Valerien Ismael sprach von einer „ausgezeichneten Leistung", und allemal diese Einschätzung ließ Stöger strahlen: „Wenn mein Kollege das so einschätzt, dann wertet das unsere Leistung doch noch einmal auf."
Freilich hätte Stöger nach eigener Aussage auch mit einem Remis leben können, er bewerte ja auch weniger das Ergebnis als den Aufwand - und den hielt der Österreicher für enorm, eine „außergewöhnliche Leistung“. Überhaupt spielt Köln unter der Leitung des Trainers selten nicht am Rand des Leistbaren, das ist nicht weniger als ein Wesensmerkmal des FC-Fußballs und ein Qualitätssiegel für fruchtbare Zusammenarbeit von Trainer und Team. Nicht zwingend muss das jedes Mal zum Sieg reichen: Auch gegen Wolfsburg hätte das schief gehen können, weil vor allem der Junge Maximilian Arnold zwei Mal extrem aussichtsreich scheiterte und sich sich später bei seinen Kameraden deshalb entschuldigte: Kessler parierte großartig, Olkowski grätschte unter Einsatz seiner Gelenke eine zweite Gelegenheit in letzter Sekunde ab.
Dann aber brachte ein umstrittener Elfmeter Köln den Sieg, der keiner war: „Erst war es Abseits, dann kein Foul", zürnte Ismael mit grimmigem Gesicht. Dass Stöger das Foul von Wolfsburgs Torwart Diego Benaglio an Kölns Stürmer Anthony Modeste anders bewertete („Dass dieser Elfmeter niemals woanders gepfiffen worden wäre, das sehe ich mal etwas anders"), tat nicht viel zur Sache, weil die Abseitsposition objektiv vorlag. Köln nahm das Geschenk an, Wolfsburg immerhin die Erkenntnis mit auf den Rückweg, im Abstiegskampf die Grundtugenden einer funktionierenden Einheit nachgewiesen zu haben.
Die Kölner Freude überlagerte diese Mindesterkenntnis des Gastes aber bei weitem, weil es ein ziemlich runder Tag war: Erstmals seit 2011 und nach ausgeräumtem Streit mit FC-Präsident Werner Spinner sah Ex-Präsident Wolfgang Overath wieder ein Spiel seines FC im Stadion. Der verletzte Marcel Risse wurde für das „Tor des Jahres“, ein Freistoßtreffer gegen Mönchengladbach, geehrt. Darüber hinaus gelang der zweite Sieg im zweiten Spiel der Rückrunde und die Erkenntnis ging einher, dass Köln vor allem mit seiner Defensive und seinen Innenverteidigern nicht viele Gegner der Liga fürchten muss: Frederik Sörensen spielt seit Wochen ihn herausragender Form, Dominique Heintz ist eine Bank, und auf der Bank sitzen mit Dominic Maroh und Neven Subotic weitere Hochkaräter.
Ligaweit hat nur der FC Bayern weniger Gegentore hinnehmen müssen. Das ist viel wert, wenn das Mittelfeld - wie am Samstag geschehen - nicht seinen kreativsten Tag erlebt. Und wenn man noch dazu einen Torjäger hat, der trifft: Anthony Modeste inzwischen zum 15. Mal, die Kommentare seines Trainers dazu ähneln sich zusehends: "Um den Tony kümmere ich mich gar nicht so sehr. Er ist gut drauf, ja. Aber es ist vielleicht auch mal ganz gut, wenn man einen Spieler einfach in Ruhe machen lässt." Am Ende kommt dabei vielleicht sogar eine Prämie für den Trainer herum. Fußball ist bisweilen wirklich komisch.