Wolfsburger Abstiegskampf Labbadia auf heikler Rettungsmission - Schwerer als beim HSV

Wolfsburg (dpa) - Bruno Labbadia liebt Hamburg. Daraus macht der 52-Jährige keinen Hehl. Unweit der Alster hat er sich vor ein paar Jahren eine Wohnung gekauft, das Joggen am Ufer zählt zu seinen Lieblingsbeschäftigungen.

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Doch viel Zeit hat Labbadia zuletzt nicht in seiner Lieblingsstadt verbracht.

Dafür gibt es beim VfL Wolfsburg zu viel zu tun. Seit acht Spielen ist er für die Niedersachsen verantwortlich, doch die Wende hat der Ex-Profi noch nicht geschafft.

Weshalb es am Samstag (15.30 Uhr) zum Abstiegskrimi gegen den HSV kommt. Ausgerechnet gegen jenen Club, den er 2015 in einer dramatischen Relegation gegen den Karlsruher SC vor dem Abstieg bewahrte. Mit einem Sieg würde Labbadia seine alte Liebe ziemlich sicher erstmals in die Zweitklassigkeit befördern. Auch für ihn wäre das ein Schreckensszenario.

Noch immer halten es viele in der Hansestadt für einen großen Fehler, dass der damalige Vorstandsboss Dietmar Beiersdorfer Labbadia zu Beginn der Saison 2016/17 vorschnell entließ. Schließlich steht Labbadia nicht nur für die Last-Minute-Rettung gegen Karlsruhe, sondern auch für die danach folgende sorgenfreie Spielzeit 2015/16.

Doch in Erinnerung geblieben sind besonders die Bilder von der Rettung vor drei Jahren. Hoch emotional führte Labbadia den taumelnden HSV doch noch zum Klassenerhalt. Die Jubelszenen hat an der Elbe niemand vergessen. „Er hat sich voll reingekniet und einfach gute Arbeit geleistet“, sagte HSV-Ikone Uwe Seeler über den Retter von damals.

Vollen Einsatz zeigt Labbadia auch in Wolfsburg. „Ich brauche nicht viel Schlaf. Zur Not stelle ich mir ein Bett auf die Geschäftsstelle“, hatte er bei seiner Vorstellung gesagt. Labbadia wusste, dass viel Arbeit vor ihm liegt. Dass die Verhältnisse beim VW-Club aber noch chaotischer als beim chronisch unruhigen HSV sind, das hätte sich Labbadia wohl auch nicht vorstellen können.

Ein völlig orientierungsloses Umfeld, eine wild zusammengewürfelte Mannschaft ohne jeden Zusammenhalt und eine harmlose Offensive - Labbadia weiß gar nicht, wo er anfangen soll bei seiner erneuten Rettungsmission. Und irgendwie fehlt ihm in Wolfsburg auch jene Emotionalität und Begeisterung, mit der er damals beim HSV das Team zu packen bekam.

Zwar sagt er immer wieder, „dass alle meine Kraft nur dem VfL Wolfsburg gilt. An etwas anderes verschwende ich keinen Gedanken.“ Aber es fehlt etwas im Verhältnis zwischen Labbadia und Wolfsburg. Jene Zuversicht, die Labbadia Mannschaft und Umfeld in Hamburg damals jeden Tag vorlebte, verkörpert er momentan nicht. Beim HSV setzte Labbadia auf Gemeinschaft und bildete mit dem Team in kürzester Zeit einen verschworenen Haufen. All das ist dieses Mal nicht zu erkennen. Weshalb nicht wenige davon ausgehen, dass der Coach den VfL im Sommer wieder verlassen wird. Rettung hin oder her.

Gemeinschaftsgefühl und Zuversicht - das sind auch die Punkte, auf die der neue HSV-Coach Christian Titz setzt. Hierin gleichen sich Labbadia und Titz. Größter Unterschied: Labbadia vertraute erfahrenen Spielern, die beim HSV schon abgeschrieben waren. Titz hingegen setzte vom ersten Tag an auf den Jugendstil.

Ansonsten ist Titz für die Öffentlichkeit immer noch wenig greifbar. Im Showgeschäft Bundesliga wirkt der 47-Jährige nach wie vor etwas fremd. Was ihn mit Sandro Schwarz verbindet, Trainer beim ebenfalls gegen den Abstieg kämpfenden FSV Mainz 05. Auch Schwarz loben sie in Mainz für seinen hohen Einsatz, für Besonnenheit und Akribie. Und doch wirkt auch Schwarz in der Glitzerwelt Profi-Fußball deplatziert.

Freiburgs Trainer Christian Streich hat seine Rolle dagegen gefunden. Die Pressekonferenzen mit ihm sind ein Genuss, immer wieder positioniert er sich bei gesellschaftlichen Fragen wohltuend differenziert. Die Ungerechtigkeiten dieser Welt bringen ihn in Rage, was auch für die Geschehnisse auf dem Platz gilt.

Fühlt sich Streich nicht fair behandelt, wird er an der Seitenlinie zum Vulkan. Er lebt seiner jungen Mannschaft mit jeder Faser vor, mit welcher Leidenschaft man sich gegen Dinge stemmen kann. In Hamburg sah man Labbadia bei seiner Rettungsmission auch so. Das Fehlen jener totalen Emotionalität in Wolfsburg könnte im Überlebenskampf am Ende gegen den VfL Wolfsburg sprechen.