Liga-Check 15/16 Berlin: Die alte Tante Hertha schwächelt
Berlin. Als Fünfzehnter kam Hertha BSC in der vergangenen Spielzeit gerade noch mit einem blauen Auge davon. Wirklich rosig sind die Aussichten auch für die kommende Bundesligasaison nicht.Die deutsche Hauptstadt gilt als hip, hat einen exzellenten Ruf in aller Welt.
Warum färbt das nicht ab auf Hertha BSC? „Hertha scheint mir in der neuen Zeit, im neuen Berlin nicht angekommen zu sein. Nach außen hin verkörpert der Klub das alte West-Berlin“, sagt der Marketingexperte Oliver Drost von der Hamburger Kreativagentur Deepblue Networks, die Markenartikler berät, aber auch Fußballvereine. Er findet, dass der Club mit dem Slogan „Aus Berlin — für Berlin“ daneben liegt. Hinzu kommt, dass Hertha BSC sich seit Jahren sportlich und wirtschaftlich in schwieriger Lage befindet und so der Reiz für Stars eher bescheiden ist.
Hertha BSC hat im Februar 2014 viel Geld vom Investor Kohlberg Kravis Roberts (KKR) erhalten, warum kann Manager Preetz da nicht in die Vollen gehen? Ganz einfach: weil das Geld zum Abbau des Schuldenbergs verwendet wurde. Von den exakt 61,2 Millionen Euro wurde kein Cent in die Mannschaft gesteckt, wie ein Insider der „Berliner Morgenpost“ verriet. In der RBB-TV-Talkshow „Thadeusz“ bestätigte das Hertha-Präsident Werner Gegenbauer: „Damit haben wir die Probleme der Vergangenheit bewältigt.“ Schlecht ist, dass es noch keine Einigung gibt mit dem neuen Trikotsponsor „bet-at-home“ aus Österreich, der als Nachfolger der Deutschen Bahn bis 2018 sechs Millionen Euro pro Jahr bezahlen soll. Der Grund: Hertha hat mit „X-Tip“ einen anderen Sportwettenanbieter als Exklusiv-Partner, der eine Million Euro pro Jahr bezahlte. Aus Konkurrenzgründen möchte „bet-at-home“, dass dieser Vertrag aufgelöst wird. Die Verhandlungen laufen.
Hertha hat 30 Spieler im Kader, das sind deutlich zu viele — was ist geplant? Der Club würde gerne Spieler verkaufen, aber er findet keine Abnehmer. Sieben Profis sollen möglichst rasch anderswo unterkommen: Ronny (Vertrag bis 2017), Änis Ben-Hatira (bis 2016), der sich seit November 2014 mit Zehenproblemen herumplagt, Ex-Kapitän Peter Niemeyer (bis 2016), Stürmer Sandro Wagner (bis 2016), Verteidiger Johannes van Bergh (bis 2016) sowie die Torhüter Sascha Burchert (bis 2016) und Rune Jarstein (bis 2016). Nur wenn die Hertha verkaufen kann, sind weitere Einkäufe drin. Die beiden bislang verpflichteten Neuen, Mitchell Weiser von Bayern München und Vladimir Darida vom SC Freiburg, sind gute Fußballer, aber sicher keine Raketen, die in Berlin für Fußballfeuerwerke sorgen werden.
Was ist von der sportlichen Leitung zu halten? Trainer Pal Dardai kennt den Verein bestens — und ist trotzdem immer geblieben! Der Ungar ist ehrgeizig, kann das spielerische Vermögen seiner Truppe gut einschätzen und hat deshalb klare Vorstellungen: Körperliche Fitness soll zum Hertha-Trumpf werden. Allerdings: Mit Tolga Cigerci (Ermüdungsbruch im Fuß), Julian Schieber (Knie-OP), Nico Schulz (Urlaub nach U-21-EM) und John Anthony Brooks (Gold Cup mit den USA) versäumen wichtige Kräfte die intensive Vorbereitungszeit. Positiv ist die Rückkehr von Techniker Alexander Baumjohann nach zwei Kreuzbandrissen und langer Zwangspause. Negativ ist, dass sich Stürmer Sami Allagui im Test gegen Rayo Vallecano (0:1) eine Knieverletzung zugezogen hat und vier Wochen pausieren muss. Und Michael Preetz? Der darf vom Präsidenten gestützt weiter arbeiten, obwohl ihm in der Hauptstadt viele Experten wie auch Fans das Zeug zum Bundesliga-Manager absprechen. Um es mal mit einem alten Berliner Spruch aus weiblicher Sicht zu sagen: „Ick brauch'n richtijen Mann, keene uffjewärmte Leiche.“
Und wo geht sie nun hin, die Berliner Reise? Sicher nicht Richtung Europa, aber wohl auch nicht abwärts in die 2. Liga. Der Präsident hat auch hier eine realistische Einschätzung — Werner Gegenbauer: „Platz 15 bis 10. Mir kann man keine Euphorie entlocken.“
Zugänge: Mitchell Weiser (FC Bayern München), Vladimir Darida (SC Freiburg)
Abgänge: John Heitinga (Ajax Amsterdam), Marcel Ndjeng (SC Paderborn), Fabian Holland (SV Darmstadt 98).