Liga diskutiert Fall Rangnick - Hoeneß warnt

Berlin (dpa) - Nach dem Burnout-Bekenntnis von Ralf Rangnick diskutiert die Bundesliga weiter über die Lehren aus dem Fall des Schalke-Trainers.

„Wir sollten aufhören, zu glauben, dass diese Problematik ein ganz fußballspezifisches Problem ist. Das ist es absolut nicht“, warnte Bayern-Präsident Uli Hoeneß im ZDF und betonte: „Die Branche ist überhaupt nicht unmenschlich.“ Hoffenheims Coach Holger Stanislawski sieht indes ein wachsendes Problem für sich und seine Berufskollegen. „Es gibt nur noch ganz kleine Nischen, in denen man als Trainer Ruhe finden kann“, sagte Stanislawski der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Rangnick war wegen eines Erschöpfungssyndroms als Trainer des FC Schalke 04 zurückgetreten. Trotz des Schocks gewannen die Gelsenkirchener ihr Heimspiel gegen den SC Freiburg mit 4:2. „Wir versuchen, gewisse Normalität hineinzubekommen. Hoffentlich hilft uns der Sieg dabei“, sagte Schalke-Manager Horst Heldt.

Schalkes Mannschaftsarzt Thorsten Rarreck warnte die Liga allerdings vor einer zu schnellen Rückkehr in den Alltag und forderte neue Schulungsmaßnahmen für Fußballlehrer. „Wenn man den Stress nicht reduzieren kann, muss man die Stressbelastbarkeit erhöhen. Dies sollte Inhalt der Trainerausbildung sein: Selbstmanagement, innere Ressourcen kräftigen, das wäre ein wichtiger Anfang“, sagte Rarreck dem „Spiegel“.

Aus Sicht des Mediziners sind auch andere Cheftrainer gefährdet. „Es gibt einige in dem Beruf, die hart am Wind segeln. Schlafstörungen werden zum Beispiel durch Massen an Kaffee kompensiert“, erklärte Rarreck. Bayer Leverkusens Coach Robin Dutt sagte im „Doppelpass“ des Senders Sport1: „Wir wissen, dass wir in diesem Job Druck haben. Aber es muss ja nicht so weit kommen wie bei Ralf Rangnick.“

Bayern-Präsident Hoeneß sieht in der Entwicklung indes ein gesellschaftliches Problem. Immer mehr Menschen würden „mit dem Druck, der auf sie einprasselt, einfach nicht fertig werden“. Und dann „benötigen sie eben eine Auszeit“.

Stanislawski will sich deshalb schon vorher mit Ruhepausen schützen. „Es ist auch wichtig, hin und wieder den Bereich Fußball ganz zu verlassen, der uns Trainer hundert Stunden die Woche einbindet; es ist wichtig, dass man mal ein paar Schritte Richtung normales Leben geht“, meinte der 41-Jährige. Bei Rangnick „sei es wohl der Fußball an sich, der ihn ausgezehrt hat“, ergänzte Stanislawski.

Trotz des plötzlichen Rücktritts des Schalke-Trainers rechnet die Liga mit einem Comeback Rangnicks. „Ich sehe keinen Grund, warum Rangnick nach seiner Genesung nicht zurückkehren sollte“, sagte der frühere Nationaltorwart Oliver Kahn den „Badischen Neuesten Nachrichten“. Und Werder Bremens Dauertrainer Thomas Schaaf bekräftigte via „Welt am Sonntag“: „Wenn wir über einen Menschen wie Ralf Rangnick sprechen, dann wissen wir, was er geleistet hat - und hoffentlich bald wieder zu leisten imstande ist.“

Hoeneß zog eine Parallele zum früheren Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld. Dieser hatte sich 2004 ebenfalls ausgebrannt gefühlt und deswegen damals die Übernahme des Bundestrainer-Postens abgelehnt. Die Bayern verpflichteten Hitzfeld Anfang 2007 ein zweites Mal. „Weil wir überzeugt waren, dass er nach einer gewissen Ruhepause wieder in der Lage war, diesen Job auszuführen“, sagte Hoeneß.

Die Schalker wollen Rangnick allerdings erst einmal zur Ruhe kommen lassen. „Es ist für ihn in der aktuellen Situation heilsam, wenn man sich nicht permanent austauscht“, sagte Manager Heldt. Rangnick hat sich zur Erholung in seinen Heimatort Backnang zurückgezogen.