Mehr Belastung, neues Team: Mainz 05 vor Reifeprüfung
Saint-Vincent (dpa) - Nichts liebt Martin Schmidt mehr als Herausforderungen. Mit Akribie, taktischem Geschick und auch Glück führte der Schweizer den Fußball-Bundesligisten FSV Mainz 05 in seiner ersten kompletten Saison als Cheftrainer in die Gruppenphase der Europa League.
Die mindestens sechs internationalen Auftritte von diesem Herbst an sind eine Belohnung, für Schmidt und den überwiegenden Teil seines Personals aber auch eine Art Reifeprüfung. „Spielen, regenerieren, reisen und wieder Spiel, regenerieren und reisen. Das bestimmt unseren Alltag“, sagte der 49-Jährige im Mainzer Trainingslager in Saint-Vincent im Aostatal.
Weitermachen wie bisher, das geht nicht. Mainz 05 braucht eine andere Vorbereitung, einen breiteren Kader, taktische Variabilität und mentale Stärke, um der gewachsenen Belastung standhalten zu können. „Wir werden rotieren müssen. Dreimal in einer Woche mit der gleichen Taktik und dem gleichen Personal zu spielen, das werden wir nicht können“, erklärte Schmidt. Bei allem Ehrgeiz bleibt die Bundesliga der wichtigste Wettbewerb.
Der Schweizer ist detailversessen. „Ich will, dass die Spieler in jedem Training die Antennen ausfahren: Jetzt ist höchste Konzentration angesagt. Alles, was wir machen, wird benotet und in einer Datenbank erfasst“, betont Schmidt immer wieder. Der Computer stellt zwar nicht die Mannschaft auf, aber die Daten sind eine perfekte Vorlage für Spielergespräche und die Belastungssteuerung.
Die Trainingswoche in den vom 05-Coach geliebten Alpen begann mit hochintensiven Zweikampfeinheiten. Nach der wochenlangen Schulung der Grundlagenausdauer geht es jetzt um die Defensivarbeit und danach auch um offensive Verbesserungen. Geregeltes Training wird es von Mitte September an für die Mainzer nicht mehr geben.
„Deshalb brauchen wir eine andere Vorbereitung, wir müssen auch unsere Taktik variieren. Wenn wir bei so vielen Spielen immer versuchen wollen, unseren laufintensiven Fußball durchzuziehen, sind wir irgendwann ausgequetscht“, sagte Schmidt.
Durch die ständige Überwachung sind die Spieler gläsern geworden. Aber in die Köpfe kann auch Schmidt nicht hineinschauen. Mentalität lässt sich kaum trainieren. „Aber wir müssen darauf vorbereitet sein, dass wir alle drei Tage die Fähigkeit benötigen, wieder hochzufahren und mit voller Konzentration an die nächste Aufgabe zu gehen.“ Langes Lamentieren nach Niederlagen dürfe es nicht mehr geben.
Dieser Rhythmus wird in der Vorbereitung simuliert. In Saint-Vincent testen die Mainzer am Mittwoch und Donnerstag gegen Servette Genf (Schweiz) und Novara Calcio (Italien). Nach der Rückkehr folgt das bedeutende Spiel in der heimischen Opel-Arena gegen Jürgen Klopps FC Liverpool. Um die Belastung weiter zu steigern, verpflichteten die Mainzer kurzerhand noch den 1. FC Köln für einen Test am 11. August unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Zum Abschluss der Vorbereitung geht es dann am 14. August noch zum Drittligisten Rot-Weiß Erfurt.
„Die Zeit der vielen Wechsel ist bald vorbei. Spätestens gegen Liverpool sind Teile der Startelf sichtbar“, erklärte der 05-Coach. Zum Ende des Trainingslagers sollen die Spieler im Beisein von Schmidt und dessen Stab Zielvereinbarungen für die Saison erarbeiten. „Da muss viel aus der Gruppe kommen, damit sie sich auch mit den Zielen identifizieren“, sagte Schmidt.
Von Verletzungen blieben die Mainzer bislang weitgehend verschont. Der Ausfall von Danny Latza wegen anhaltender Adduktorenprobleme schmerzt. Erfreulich dagegen ist, dass ein Wechsel von Yunus Malli nur noch mit Zustimmung der 05er möglich ist. Die im Vertrag verankerte Option ist ausgelaufen.