Nicht richtig eingeschlagen: Balanceakt für Babbel
Sinsheim (dpa) - So richtig warm geworden sind die Fans von 1899 Hoffenheim mit Markus Babbel noch nicht. Kein Wunder: Innerhalb von gut 13 Monaten haben sie vier Trainer erlebt.
Und seine gewinnende Art hat der neue Coach des nordbadischen Fußball-Bundesligisten noch nicht richtig zeigen können bei der zähen Remis-Serie zu Hause und zuletzt einem 1:7 bei Babbels Ex-Club FC Bayern. „Ich glaube, dass hier viel möglich ist“, sagt der 39-Jährige immer wieder und lobt seine „hoch talentierte Mannschaft“.
Doch die hat seit Ralf Rangnick, dem Vater des phänomenalen Aufschwungs in Hoffenheim, niemand mehr so richtig in den Griff bekommen. Der „Fußball-Professor“ Rangnick genoss einst viel Respekt rund um die Rhein-Neckar-Arena in Sinsheim und das Trainingszentrum in Zuzenhausen. Sein Kurzzeitnachfolger Marco Pezzaiuoli ist fast schon vergessen. Den herzlichen Holger Stanislawski hatten die Anhänger schnell ans Herz geschlossen und wollten ihn nicht mehr hergeben. Doch das Experiment mit dem Mann vom FC St. Pauli, der Hoffenheim endlich Volksnähe geben sollte, ist gescheitert.
Und nun seit 10. Februar Markus Babbel: enorm selbstbewusst, routiniert, oft geschäftsmäßig. Nicht emotional wie Stanislawski, nicht leise wie Pezzaiuoli, nicht fiebrig wie Rangnick. Ob es sein Lebensziel sei, irgendwann Trainer beim FC Bayern München zu werden, fragte ihn das Fachmagazin „kicker“. So verbissen sehe er das nicht, meinte Babbel. „Um dort ein Kandidat zu werden, musst du vorher richtig gute Arbeit angeliefert haben.“
Mit seinem Arbeitsstil fällt Babbel nicht in die Kategorie der jungen fußballbesessenen Trainer wie Thomas Tuchel vom FSV Mainz 05. Er lässt schon mal den harten Hund raushängen und setzt ein Straftraining an wie nach der Klatsche in München. Und er hat seinen Taktikfuchs: Co-Trainer Rainer Widmayer. Der Chef selbst, so erklärte er in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, schiebt nicht gerne an der Tafel Männchen hin und her. „Ich will den Spielern einfache Dinge mit an die Hand geben, die sie verinnerlichen“, sagte Babbel. Der alte Medizinball tue es auch. „Ich spiele nicht den Fußball-Professor, denn der bin ich nicht.“
Babbel sagt dies mit breiter Brust: Seine 51 Länderspiele, sein EM-Titel 1996 und seine Zeit vor allem beim FC Bayern und beim FC Liverpool waren ein Pfund, als er ins Trainergeschäft einstieg. Als er beim VfB Stuttgart von Armin Vehs Assistenten zum Cheftrainer aufstieg, scheiterte er letztendlich an der Doppelbelastung durch Bundesliga-Job und Trainer-Lehrgang in Köln. Mit Hertha BSC stieg er in die erste Liga auf und schied nach heftigem öffentlichen Streit mit Manager Michael Preetz um seinen Ausstieg zum Saisonende.
Wie bei Hertha, wo man ihm den Spitznamen „Minibar-Berliner“ gab, wohnt Babbel auch jetzt in einem Hotel - in Heidelberg. Der 1899-Coach will seine Frau Silke und die Töchter Giulia und Sienna, die in München leben, nicht bei jeder Trainerstation aus ihrer Umgebung herausreißen. Bis 2014 läuft sein Vertrag in Hoffenheim, und seine Aufgabe ist ein Balaceakt: Zwischen dem Sparkurs von Mäzen Dietmar Hopp und den immer noch hohen Erwartungen beim Herbstmeister von 2008 soll sportlich etwas Vernünftiges herauskommen.