Schalke-Chef Tönnies zu Fan-Gewalt: Mehr Geisterspiele
Berlin (dpa) - Der Fußball ringt im Kampf gegen die Gewalt um die richtigen Erziehungsmethoden für die Krawallmacher. Schalke-Boss Clemens Tönnies forderte nach den jüngsten Übergriffen von Kölner und Rostocker Rowdys ein hartes Durchgreifen und mehr Geisterspiele.
Bundesligist 1. FC Köln entzog der „Wilden Horde 1996“ wegen der Angriffe auf Gladbacher Anhänger den Status eines offiziellen Fanclubs, nachdem die Polizei zuvor Räume der Ultra-Gruppe durchsucht hatte.
Der Sicherheitsbeauftragte des Deutschen Fußball-Bunds (DFB), Hendrik Große Lefert, wünscht sich indes mehr Zivilcourage. Zweitligist Dynamo Dresden will zusätzliches Geld in Fanprojekte investieren, Liga-Rivale Eintracht Frankfurt seine Problemfans moralisch disziplinieren. Das Fazit von Tönnies: „Wir brauchen einen Runden Tisch mit DFB, DFL und allen Clubs. Wenn wir uns jetzt nicht dagegen stellen, eskaliert es.“
Der Aufsichtsratschef des FC Schalke 04 zeigte sich angesichts der nicht abreißenden Reihe von Ausschreitungen besorgt. „Man muss sich schämen, was zuletzt passiert ist. Dagegen muss man jetzt hart vorgehen. Solche Leute haben in einem Stadion nichts zu suchen“, sagte Tönnies in einem Interview dem Kölner „Express“.
Für Entsetzen hatten zuletzt Übergriffe auf reisende Fans gesorgt. So waren Gladbacher Anhänger in ihrem Bus von Ultras des 1. FC Köln angegriffen worden. Nach der Polizei-Razzia in den Räumen der „Wilden Horde 1996“ und in Wohnungen von 21 mutmaßlichen Mitgliedern kündigte der Erstligist auch langjährige bundesweite Stadionverbote gegen die Tatverdächtigen an, zudem sollen sie aus dem Verein ausgeschlossen werden. Bei den Durchsuchungen waren Sprengstoff, Drogen und Knüppel gefunden worden.
Nachahmungstäter hatten am vergangenen Wochenende in Rostock Fans von Eintracht Frankfurt mit Steinen und Flaschen beworfen und danach mit dem Auto verfolgt. „Diese Vorfälle sind völlig inakzeptabel, solche Taten müssen geächtet werden - auch in Fanszenen“, meinte DFB-Funktionär Große Lefert im Fachmagazin „Kicker“. „Da ist auch Zivilcourage eines jeden Einzelnen gefordert.“
Der Einfluss des Fußballs auf Reisewegen sei beschränkt, erklärte Große Lefert. „Hier sind Polizei und Justiz zuständig, die wir im Rahmen unserer Möglichkeiten unterstützen“, sagte er. Zuvor hatte bereits Liga-Präsident Reinhard Rauball mehr staatliche Unterstützung bei der Bewältigung des Gewaltproblems angemahnt.
Zur Verbesserung der Präventionsarbeit stellt Dynamo Dresden 30 000 Euro für Fanprojekte bereit. „Das Übel der Gewalt in deutschen Stadien“ müsse „an der Wurzel bekämpft werden“, sagte Dynamo-Präsident Andreas Ritter. Das Geld stammt aus den Einnahmen aus dem Spiel gegen den FC Ingolstadt am vergangenen Sonntag, von dem Zuschauer ausgeschlossen waren. Dynamo war wegen der schweren Ausschreitungen seiner Anhänger beim Pokalspiel in Dortmund zu dem Geisterspiel verurteilt worden. Der Club hatte zur Linderung des finanziellen Schadens sogenannte „Geistertickets“ verkauft. Der Erlös: knapp 200 000 Euro.
Zu unkonventionellen Methoden greift die Frankfurter Eintracht. „Wir wollen versuchen, unsere Fans mit in die Verantwortung zu nehmen. Daher planen wir 50 000 Euro an die Deutsche Knochenmarkspenderdatei DKMS zu stiften und von diesem Betrag bis zum Saisonende jedes vom DFB ausgesprochene Bußgeld abzuziehen“, sagte Vorstandsmitglied Klaus Lötzbeier.
„Unser Image ist nachhaltig negativ verrutscht, daher ist es unser Ziel, das Bild wieder zurechtzurücken. Niemand hier ist froh über den Titel vom deutschen Randalemeister“, sagte der Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen. Eintracht-Anhänger hatten sich diesen Titel seit den zahlreichen Ausschreitungen in der Rückrunde der Vorsaison selbst gegeben. Danach hatte der Verein bereits einen „Katalog der Selbstverständlichkeiten“ mit einer Liste von Verhaltensregeln für Eintracht-Anhänger aufgestellt.