Nix Motzki: Anlagenmonteur Sammer fiel beim FCB durch

Berlin (dpa) - Feuerkopf, Motzki mit einer fast nervenden Besessenheit. Wie ist Matthias Sammer so geworden, wie er ist. Im Buch „Ich liebe die schwierigen Dinge“ versuchen elf Autoren und Matthias Sammer selbst, das herauszufinden.

Ein Stück deutsch-deutsche Fußball-Geschichte.

Dynamo Dresden hatte die erste Bewerbung eingereicht für Sammer beim FC Bayern. In den Wendewirren Ende 1989 war das - Dynamo wollte die damaligen Oststars Sammer und Ulf Kirsten nach München verkaufen. Uli Hoeneß lehnte ab. Ihm nützen bei den Zielen des FC Bayern München nun wirklich keine Akteure aus dem Osten. So wird in dem neuen Buch „Matthias Sammer und der Fußball“ die Ablehnung des Bayern-Chefs beschrieben. „Davon weiß ich nichts“, kommentierte der einstige Maschinen- und Anlagenmonteur Sammer selbst den ersten, gescheiterten Kontakt zum deutschen Rekordmeister, wo er nun als Sportdirektor gelandet ist.

Die Faszination der Bayern hatte Sammer schon als Bub in Dresden erfasst, als noch sein Vater Klaus auf dem Rasen gegen den damaligen „Klassenfeind“ antrat. „Die Bayern waren die Besten, geprägt von Weltklassespielern, das wusste man auch jenseits der Mauer, selbst bis ins Tal der Ahnungslosen hatte sich das herumgesprochen“, erzählt Sammer Junior in einem Interview, mit dem das Buch mit dem Titel „Ich liebe die schwierigen Dinge“ eingeleitet wird. Wenn er sich durch den Kopf gehen lasse, was Bayern München in der DDR, in Dresden und bei ihm ausgelöst hätte, dann die verschiedenen Umstände, denen er es zu verdanken habe, dass er nun für den FC Bayern arbeite, „das ist noch immer gar nicht so leicht realisierbar“, meint der 45-jährige Sammer.

Maschinen- und Anlagenmonteur (diesen Beruf trugen viele der verkappten Profifußballer in der DDR), Tal der Ahnungslosen (so wurde die Gegend um Dresden genannt, da kein Westfernsehen zu empfangen war), Kinder- und Jugendsportschule - Sammer wurde vom Ostsystem geprägt. Er nutzte die Ost-Prominenz der Familie, schon als Junge durfte er seinen Vater und die Dynamo-Spiele „auf dem Schoß der wichtigen Leute im Stadion“ hautnah erleben, wird in dem am Dienstag erschienenen Buch berichtet. Und als DDR-Nationalkicker nahm er schon mal wie seine Kollegen einige Flaschen Schnaps mit ins Trainingslager nach Schweden, um sie dort für harte Währung zu verkaufen.

Doch Sammer entwickelte auch in diesem System schon früh jene Eigenschaften, die ihm zum Chef, zum ersten gesamtdeutschen Nationalspieler nach der Wiedervereinigung, zum Meister, zum jüngsten Bundesliga-Meistertrainer, zum Champions-League-Sieger, zum Europameister, zum DFB-Sportdirektor und eben jetzt zum strategischen Planer des FC Bayern werden ließen. „Besser sein zu wollen als andere, hat bei mir immer eine gewisse Kraft ausgelöst“, berichtet der Verbesserer Sammer: „Ich kann das aber sehr schwer erklären.“

Auch den elf Autoren, die sich intensiv dem Fußballer und Menschen Sammer beschäftigen, fällt das schwer. Es ist mehr ein interessanter, facettenreicher Abriss der vergangenen 30 Jahre deutscher Fußball mit einem Hauptdarsteller Matthias Sammer. Der dreimalige Familienvater Sammer hielt sich als Motzki im Buch zurück: „Wenn die Leute das Gefühl haben, dass ich sie nerve, würde ich ihnen gern vermitteln, wie sehr ich wiederum genervt bin vom geringen Anspruchsdenken, das wir in unserer Gesellschaft seit einiger Zeit haben.“

Geprägt wurde der 74-malige Nationalspieler Sammer früh. Etwa von jenem 3:7-Debakel 1986 mit Dynamo bei Bayern Uerdingen, von der anschließenden Versetzung seines Vaters und Trainers in die Provinz. Von einer Befragung bei der Stasi im Frühjahr 1989 nach einem Europacupspiel gegen den VfB Stuttgart. Von Schwaben, wo er nach dem ersten Wechsel seine Frau Karin fand. Vom intensiven Verhältnis zu Ex-Bundestrainer Berti Vogts. Und natürlich von den dramatischen Umständen seines frühen Karriereendes durch eine Knieverletzung.

„Die Erfahrungen, die ich machen durfte, haben wenige gemacht, sowohl auf dem sportlichen wie auch dem persönlichen Lebensweg“, betont Sammer. Und in seinem Fußballbuch soll noch lange nicht Ende sein. „Ich liebe den Fußball und will mir gar nicht vorstellen, welche Entwicklung ich vielleicht als Maschinen- und Anlagenmonteur im VEB Strömungsmaschinen Dresden genommen hätte“, sagt Sammer.