Nürnberg ohne Klasse und Argumente - Kurz vor Abstieg
Nürnberg (dpa) - Eine Stunde nach dem deprimierenden 0:2 gegen Hannover 96 wusste auch Roger Prinzen nicht mehr weiter.
Warum der Interimstrainer trotz der offenkundig fehlenden Klasse überhaupt noch auf den Bundesligaverbleib seines 1. FC Nürnberg spekuliere, wurde er gefragt - und hatte kein einziges Argument parat. „Ich bin immer davon überzeugt, dass wir es noch schaffen. Sonst wär's ja verkehrt, wenn ich jetzt nicht mehr überzeugt davon bin“, kommentierte Prinzen in seiner Verzweiflung. Das einzige, was die Franken 90 Minuten vor dem Saisonende noch von der Zweitklassigkeit trennt, sind abgedroschene Standardphrasen aus PR-Lektüren ohne Aussagewert.
Sportlich sieht's dagegen stockfinster aus; der insgesamt achte Nürnberger Abstieg, der erste seit sechs Jahren, steht bevor. Allenfalls ein Sensationssieg kommenden Samstag beim Champions-League-Aspiranten Schalke 04 könnte den neunmaligen deutschen Meister noch auf den Relegationsrang hieven, zeitgleich dürfte der Hamburger SV allerdings in Mainz nicht gewinnen. Weil die Gelsenkirchener noch um die direkte Teilnahme an der Königsklasse kämpfen, klingt das alles mehr nach Reich der Träume als nach Fußball-Realität. „Wir müssen die Leute daran erinnern, dass es solche Spiele gab, wo man gedacht hat: Das ist unmöglich - und man schafft das Wunder trotzdem“, urteilte Verteidiger Per Nilsson.
Dabei haben die meisten schon längst aufgegeben. Mit weißen Taschentüchern und ohrenbetäubenden Pfiffen verabschiedeten sich die Anhänger in der Fankurve nach dem wohl letzten Erstliga-Heimspiel für längere Zeit von ihrer Mannschaft. Überhaupt waren nur etwas mehr als 46 000 Zuschauer gekommen, fast viertausend Plätze blieben im Schlüsselspiel um den Klassenverbleib an einem Samstag einfach leer. Und viele derer, die erschienen waren, keiften von Anfang an mit Leibeskräften auf ihre FCN-Profis ein und forderten den Rausschmiss von Sportvorstand Martin Bader. „Die Stimmung war eher angespannt als euphorisch. Man hat gesehen, dass sich die Mannschaft davon ein bisschen hat verunsichern lassen“, erkannte Kapitän Raphael Schäfer.
Am Dienstag soll die Vorbereitung auf die letzte Mini-Chance in Gelsenkirchen starten, längst hat der Aktionismus am Nürnberger Valznerweiher das Kommando übernommen. „Jetzt gilt's einfach: analysieren und irgendwelche Schlüsse draus zu ziehen“, mutmaßte Interimschef Prinzen, den Bader nach der Kaltstellung Gertjan Verbeeks vor eineinhalb Wochen vom U 23-Coach zum Übergangschef befördert hatte. Javier Pinola dagegen, einer der dienstältesten Spieler bei den Franken, sieht keinen Sinn mehr in Aufarbeitungen: „Wir müssen die Woche weiterarbeiten, nicht so viel reden. Es ist egal, was wir sagen und was nicht. Es zählt einfach auf dem Platz.“ Auch Nilsson befand, dass „es nicht mehr viel zu sagen gibt“.
Zur spielerischen Not, von Hannover durch Tore von Szabolcs Huszti (5. Minute) und Manuel Schmiedebach (51.) bestraft, kommen zum ungünstigsten Zeitpunkt auch drei Sperren: Javier Pinola, Timothy Chandler und Marvin Plattenhardt sahen allesamt ihre fünfte Gelbe Karte - damit fallen auf Schalke bis auf Nilsson alle Abwehrspieler aus, die gegen Hannover zur ersten Elf zählten. „Dann fahren wir eben mit der A-Jugend und den Amateuren nach Schalke, und versuchen trotzdem das Spiel zu gewinnen“, meinte Schäfer ironisch. Es spricht vieles dafür, dass spätestens am Samstag gegen 17.20 Uhr auch dem letzten Nürnberger die Lust auf Scherze vergangen sein wird.