Problemfall Robben ausgepfiffen - Van Bommel: „Skandal“
München (dpa) - Der Hauptdarsteller des Abends wollte nur noch weg. Wortlos, mit einem gequälten Lächeln auf den Lippen, stürzte Arjen Robben aus der Münchner Allianz Arena, verfolgt von einer Riesentraube Journalisten.
Ausgepfiffen und gedemütigt von den eigenen Fans - der Stachel der Enttäuschung saß zu tief, als dass der Niederländer seine Gefühle in Worte fassen wollte.
Dafür sprachen seine Teamkollegen und Bondscoach Bert van Marwijk. „Es ist eine Schande, dass Arjen ausgepfiffen wurde. So etwas gehört sich nicht“, sagte van Marwijk. Er war sichtlich verärgert. Auch Mark van Bommel, viereinhalb Jahre in Diensten des FC Bayern und zuletzt Kapitän, war erregt. „Das ist ein Skandal. So etwas habe ich in München noch nie mitgemacht“, sagte der Mittelfeldspieler. „Man muss doch sehen, was er die letzten Jahre für den Club getan hat. Ich hätte nicht gedacht, dass das bei Bayern München passiert.“
Robben war beim 3:2-Sieg des deutschen Rekordmeisters im Kompensationsspiel gegen die Niederlande erst eine Viertelstunde vor dem Ende eingewechselt worden. Beim Warmlaufen vor der Südkurve war der 28-Jährige, der im vielleicht entscheidenden Meisterschaftsspiel bei Borussia Dortmund und dann im Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea in der Verlängerung je einen Elfmeter verschossen hatte, noch mit aufmunterndem Applaus bedacht worden. Doch nachdem er den Platz betreten hatte, gab es bei jedem Ballkontakt lautstarke Pfiffe.
Dass ein Teil der Bayern-Anhänger weiter versuchte, Robben zu unterstützen, half nichts - der Eklat war da. Statt einer Aufarbeitung des Champions-League-Desasters gegen den FC Chelsea wurde die Partie für Robben zum Spießrutenlaufen. Der 28-Jährige als Sündenbock für den geplatzten Traum vom Triumph beim Finale dahoam. Sein Club reagierte in einer Mitteilung mit „Erstaunen, Irritation und Enttäuschung“ auf die Pfiffe gegen den Mittelfeldstar. Kein Anhänger habe das Recht, „unseren Spieler auszupfeifen“, beklagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge.
„Der FC Bayern sollte sich schämen, das hat Arjen nicht verdient“, schimpfte Elftal-Kollege Rafael van der Vaart. Wesley Sneijder attackierte auch die Münchner Chefs. „Man hat schon die Tage zuvor gesehen, dass keiner aus dem Clu b ihn geschützt hat. So vergrault man ihn“, meinte der Mittelfeldstratege und schob hinterher: „Wenn es nach mir geht, kommt er im Sommer zu mir zu Inter Mailand.“
In der Tat scheint ein Abschied Robbens in der derzeitigen Gemengelage bei den Bayern nicht ausgeschlossen. Zwar hat Robben erst vor kurzem seinen Vertrag bis 2015 verlängert, doch ob er angesichts der jüngsten Vorkommnisse nach der Europameisterschaft tatsächlich nach München zurückkehrt, ist ungewiss. „Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich mir das ganz genau überlegen“, riet auch van Bommel seinem Mitspieler im Oranje-Team zu einem Club-Wechsel.
Im Lager der Bayern versuchte man den unschönen Saisonausklang herunterzuspielen. „Damit muss er leben. Es waren doch nur vereinzelte Fans“, sagte Trainer Jupp Heynckes. „Er hat ja auch starken Beifall bekommen“, meinte Sportdirektor Christian Nerlinger lapidar. Mehr Verständnis für Robbens tiefe Enttäuschung gab es bei den Mitspielern. „Von uns hat er die volle Rückendeckung“, beteuerte Nationalverteidiger Holger Badstuber, „klar ist es erschreckend, wenn er ausgepfiffen wird.“
Robben wird jetzt bis Freitag untertauchen, ehe er im Oranje-Trainingslager in Lausanne zum Nationalteam stößt. „Die paar Tage werden ihm gut tun“, sagte van Marwijk, der das Training am Freitag extra auf den Nachmittag verlegte, um Robben noch etwas mehr Zeit zu geben. „Und dann werden ihn unsere Jungs schon wieder aufbauen“, sagte der Bondscoach zuversichtlich.