Rehhagel in Berlin: Bin das Gesetz
Berlin (dpa) - Die Vorstellung von „König Otto“ glich fast einem kleinen Staatsempfang. Bereits am Flughafen wurde der neue Trainer von Hertha BSC von den ersten Kamerateams empfangen, wenig später platzte der Pressekonferenzraum auf dem Vereinsgelände in Berlin aus allen Nähten.
„Tach, die Herrschaften“, begrüßte Rehhagel die Medienschar und ließ sich zum Smalltalk über Gattin Beate hinreißen. An die Adresse seiner neuen Spieler schickte der 73-Jährige eine knallharte Botschaft: „Wenn einer die Regeln nicht beachtet, muss er das vorher sagen. Alle müssen ihr Ego in den Hintergrund stellen.“
Auch Rehhagel will alles der Mission unterordnen, den Verein vor dem drohenden Abstieg aus der Fußball-Bundesliga zu bewahren, dessen Dress er schon 1963 als Spieler getragen hatte. „Ich habe zur Hertha immer eine Beziehung gehabt“, betonte Rehhagel. Als das Angebot von Berlins Sport-Geschäftsführer Michael Preetz kam, habe er natürlich überlegt. „Eine Nacht.“ Und er habe wie immer auch seine Ehefrau Beate gefragt.
Angst um seinen Ruf hat der Europameister-Coach von 2004 mit Griechenland und mehrmalige deutsche Meister und DFB-Pokalsieger bei seiner Hertha-Mission bis zum Saisonende nicht. „Meine Reputation kann man mir nicht mehr nehmen“, betonte Rehhagel. „Wenn wir es tatsächlich nicht schaffen sollten, hat es nicht gereicht.“ Ein eher ungewöhnliches Statement für einen Trainer bei seiner Antrittsrede. Auch wenn es sicher nicht einfach wird.
Rehhagel kennt nicht mal alle Spieler. Woher auch? Wähnte er sich doch seit Mitte 2010 nach dem Ende seines Griechenland-Engagements im Ruhestand. Den Bundesliga-Alltag kennt Rehhagel gar seit über einem Jahrzehnt nicht mehr: Am 1. Oktober 2000 hatte er sich vom 1. FC Kaiserslautern nach einer sportlichen Talfahrt verabschiedet. Dem Vorwurf, derzeit möglicherweise nicht auf dem modernsten Stand zu sein, hielt Rehhagel schmunzelnd dagegen, dass sein Sohn ja Doktor der Sportwissenschaften sei und er somit auch bestens informiert sei.
Viel Zeit zum Einlesen bei der Hertha hat Rehhagel nicht. Derzeit belegt das seit elf Ligaspielen sieglose Team den 15. Platz mit nur zwei Punkten Vorsprung auf das Tabellenende. „Die Mannschaft ist in großen Schwierigkeiten“, betonte Rehhagel, der eng mit dem Interimsgespann René Tretschok und Ante Covic zusammenarbeiten wird. Die beiden sollen das Training in dieser Woche bis zum ersten Bundesligaspiel von Rehhagel seit September 2000 planen. Nach einem freien Montag wird der neue Coach am Dienstag seine erste Einheit leiten.
Und wer das Sagen haben wird, machte Rehhagel auch schon klar. „Ab Montag bin ich bei Hertha das Gesetz und alle hören auf mein Kommando“, kündigte er in einem Interview der „Bild am Sonntag“ an. „Ich bin ein Vorreiter und erwarte Ordnung und Disziplin. Ich bin ein Preuße. Oder auch ein demokratischer Diktator“, sagte er. Dass die „Ikone“ (Tretschok) Rehhagel die Aufmerksamkeit erstmal von der Mannschaft und den im Hintergrund wirkenden Assistenten ablenken wird, könnte ein mitentscheidender Effekt des Sensations-Comebacks sein. „Ich bin der Spiritus rector“, bekräftigte Rehhagel.
Er will seine Kenntnisse aus 820 Ligaspielen als Trainer einbringen. „Mehr Erfahrung geht nicht“, meinte Hertha-Profi Peter Niemeyer. Sein neuer Coach machte aber auch deutlich, wer für die Erfolge sorgen muss: Die Spieler selbst. Er könne keine Tore schießen. „Das will ich Ihnen gleich sagen“, betonte er bei seiner Präsentation.
Beim 0:1 tags zuvor gegen Titelverteidiger und Spitzenreiter Borussia Dortmund litt Rehhagel noch vor dem Fernseher mit. Es habe ihm ein bisschen leidgetan, sagte er zur Niederlage im 1000. Bundesligaspiel der Herthaner durch den Treffer von Kevin Großkreutz in der 66. Minute. „So darf es aber nicht weitergehen“, forderte Rehhagel. In Augsburg am Samstag müsse man den Bann brechen.
Trainerkollegen und alte Wegbegleiter trauen in ihren öffentlichen Aussagen Rehhagel die Rettungsmission zu und freuen sich über die Rückkehr des Rentners. „Er brennt an beiden Enden“, meinte Dortmunds Erfolgscoach Jürgen Klopp. „Schön, dass er wieder im Geschäft ist - wir werden eine Menge Spaß haben“, sagte Klaus Allofs, ehemals Spieler unter Rehhagel und nun Geschäftsführer von Werder Bremen. Der Verein, bei dem „König Otto“ 14 Jahre lang das Zepter geschwungen und seine größten Vereinserfolge gefeiert hatte, wird in zwei Wochen in Berlin antreten.
Rehhagels Vorvorgänger freute sich ebenfalls. „Grandios“, fand es Markus Babbel, dass Rehhagel zur Hertha zurückkehrt. Der aktuelle Hoffenheim-Coach hatte die Berliner bis Dezember trainiert, ehe er nach peinlichen Querelen und gegenseitigen Lügenvorwürfen gehen musste, danach übernahm Michael Skibbe. Nach fünf Niederlagen, darunter das Aus im DFB-Pokal, war schon wieder Schluss.
Der gebürtige Essener ist Nummer 4 in dieser Saison auf der Berliner Bank. Und mit ihm soll Ruhe einkehren. „Die Personalproblematik wirkt sich auch immer aus. Die Spieler unterhalten sich über Dinge, die veröffentlicht werden. Das sind unnötige Kriegsschauplätze.“