Revierderby: Druck lastet auf Schalke - BVB rotiert
Gelsenkirchen/Dortmund (dpa) - Anspannung auf Schalke, Gelassenheit in Dortmund - die Traditionsclubs aus dem Revier gehen mit unterschiedlichen Voraussetzungen in das 170. Kräftemessen.
Große Bedeutung hat das stets brisante Duell nach der 0:3-Blamage in Ingolstadt und dem Abrutschen auf Platz sieben vor allem für Schalke. Trainer André Breitenreiter weiß, dass ein Derbysieg gegen den Rivalen zum Auftakt der schweren Wochen mit Partien in München und gegen Leverkusen befreiende Wirkung haben könnte. „Wir haben die Möglichkeit, viel positive Stimmung zurückzugewinnen. Dazu brauchen wir aber eine ganz andere Leistung als in Ingolstadt.“
Der riesige Rückstand von 23 Punkten auf den BVB als besten Bundesliga-Zweiten der Historie dokumentiert, dass sich das junge und in der Entwicklung befindliche Schalke-Team in der Achterbahn-Saison nicht auf Augenhöhe mit dem Rivalen befindet. „Momentan sind wir davon weit entfernt“, räumte der längst nicht mehr unumstrittene Breitenreiter jüngst im „kicker“-Interview ein. Zwar werde Dortmund „niemals ein Vorbild“ sein, gleichwohl wünscht sich der 42-Jährige ähnliche Geduld wie sie vor Jahren der BVB aufbrachte. „Sie haben in nicht so einfachen Phasen Ruhe bewahrt, sich zwei, drei Jahre Zeit gegeben, eine Mannschaft zu formen.“
Doch darauf kann Breitenreiter kaum hoffen, sollte sein Team am Sonntag (15.30 Uhr) nicht ganz anders auftrumpfen als zuletzt und am Saisonende nicht mindestens die in Gefahr geratene Europa-League-Qualifikation schaffen. Der anfangs beste Saisonstart seit 44 Jahren wäre dann Makulatur, der Kredit aufgebraucht.
Weniger Eingewöhnungszeit als Breitenreiter benötigte Thomas Tuchel im ebenso emotionalen Dortmunder Umfeld. Der Nachfolger von Kultcoach Jürgen Klopp legte bisher eine berauschende Saison mit dem BVB hin. Daran ändert auch das ernüchternde 1:1 im Europa-League-Duell mit Klopps FC Liverpool am Donnerstag nichts. Mit fünf Zählern Rückstand auf den FC Bayern hat die Borussia noch Titelchancen, die sie nicht ausgerechnet auf Schalke verspielen will. „Bis jetzt war das Derby noch weit weg“, räumte Kapitän Mats Hummels ein, „aber wir wollen die Meisterschaft möglichst bis zum 33. Spieltag offen halten.“
Dass das 88. Bundesliga-Duell zwischen beiden Europapokal-Highlights gegen das Klopp-Team steigt, schmeckt dem BVB nicht so recht. „Liverpool, Schalke, Liverpool - es ist nicht nur eine körperliche Belastung, sondern auch ein emotionaler Stress“, sagte Tuchel. Er kündigte personelle Änderungen an: „Wir möchten unbedingt gewinnen, werden aber auch gewissenhaft mit der Belastung umgehen. Aber wir werden trotzdem eine gute Mannschaft haben. Vielleicht sehen wir schon Sonntag eine Reaktion auf das 1:1 gegen Liverpool.“
Eine Reaktion erwartet auch Schalkes Eric Maxim Choupo-Moting. „Wir wissen, dass wir alles besser machen müssen gegen Dortmund. Wir müssen physisch und mental bei hundert Prozent sein.“ Torhüter Ralf Fährmann ist überzeugt, dass die Königsblauen wie schon häufiger nach Rückschlägen wieder aufstehen. „Es ist kein Bundesligaspiel, es ist etwas ganz Besonderes. Egal, wie gut der Gegner drauf sein mag, es ist alles möglich.“ Jeder sei „topmotiviert“, versicherte auch Joel Matip: „Wir müssen alle Emotionen, die wir haben, reinschmeißen.“
Dass Dortmund wegen der hohen Belastung schwächeln könnte, glaubt Breitenreiter nicht: „Weil der Kader unserer Nachbarn dermaßen breit ist, dass sie ohne Qualitätsverlust rotieren können.“ Anders als zuletzt dürfte Schalke-Stürmer Klaas-Jan Huntelaar wieder in der Startelf stehen. Manager Horst Heldt: „Er macht nicht nur Tore, er bringt auch die Mentalität auf den Platz, die wichtig ist im Derby.“